Pressemitteilung des StadtElternRat Leipzig 19.04.2019
Ministergespräch mit Christian Piwarz – Was treibt Leipziger Eltern um? Der Kultusminister stellt sich den Fragen des StadtElternRats!
Nach dem Herbst 2016, gelang es den Leipziger Eltern nun zum zweiten Mal den sächsischen Kultusminister in die größte und am schnellsten wachsende Stadt Sachsens einzuladen. Knapp 50.000 Schüler werden in Leipzig beschult. Mehr als in Dresden, in weniger Gebäuden, als in der sächsischen Hauptstadt.
Während 2016 noch Brunhilde Kurth das Amt inne hatte, ist Christian Piwarz nunmehr seit eineinhalb Jahren sächsischer Staatsminister für Kultus und ist ebenfalls der Einladung der Leipziger Eltern gefolgt.
Gemeinsam am Gesprächstisch sitzen am 16. April 2019 mit Christian Piwarz Jörg Heynoldt (Leiter des LaSuB Leipzigs), Petra Elias (SER Vorsitzende), Johannes Gosch (Stadtschülersprecher), sowie Michael Gehrhardt, welcher als Moderater des SER durch den Abend führt.
Einführend spricht Piwarz über Schwerpunkte, welche das Kultusministerium zukunftsorientiert im Blick hat: politische Bildung, ein komplett neuer Lehrplan bis 2025 und die häufig geforderte Digitalisierung. Um zu verdeutlichen, wie rasant gerade diese sich in kürzester Zeit verändert, verweist er auf die Entwicklung von digitalen Kalendern in den 90igern, auf das iPhone, welches 2007 erstmalig auf den Markt kam. Mittlerweile hat fast jedes Kind ein Smartphone.
Wie werden Schuleiterstellen besetzt?
Den fragenden Einstieg beginnen die Eltern mit sich selbst: Der Elternmitwirkung. Wie damit umgegangen wird, sollte es mal knirschen in den Zahnrädern zwischen Schulleitung und Eltern, bspw. bei der Schulleiterbesetzung. Ob es Coaching, Supervision oder andere Unterstützung hierbei gibt. Die Antwort kommt ernst, aber bestimmt: Der Leiter des Landesamtes für Schule und Bildung in Leipzig Jörg Heynoldt erklärt, den derzeit immensen Aufwand seiner Behörde. Um die 250 Schulen muss er im Auge behalten. Allein in den letzten Jahren hatte er im Bereich Schulleitung Änderungen im dreistelligen Bereich. Fast alle Schulen haben ihren neuen Schulleiter über die Schulkonferenz bestätigt. Er geht auch auf die Rahmenbedingungen ein, die der öffentliche Dienst für die Besetzung von Stellen vorgibt. Der Minister ist froh, dass er zumindest 25 Poolstellen für ganz Sachsen genehmigt bekommen habe. Solange eine Schulleitung krank ist, kann diese nicht einfach neu besetzt werden. Piwarz will in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten des Landesamtes für Schule und Bildung Ralf Berger auf eine schnellere Besetzung hinwirken.
Kommt jetzt die volle Inklusion nach dem Vorbild Thüringen?
Gleich kommen die Eltern zum nächsten großen Thema, der Inklusion. Kultusminister Piwarz drückt sich nicht um die Antwort. „Wir müssen den Weg gehen. Wir müssen miteinander überprüfen, bis wohin was funktioniert. Ich versuche immer wieder dafür zu werben, aus der Sicht des Kindes die Entscheidung zu treffen, was gut und was richtig ist.Und für mich ist es pädagogisch völlig frei, wie wir Inklusion zukünftig leben werden, aber ohne Förderschulen wird es nicht gehen! Das ist meine ganz feste Meinung.“ Auch Herr Heynoldt weiß, dass bei stetig wachsender Schülerzahl in Leipzig die Anzahl der Förderschulplätze nicht gleich bleiben kann und verspricht dies im Dialog mit der Stadt Leipzig bald möglichst konkret anzusprechen.
Vor einigen Tagen habe der Minister eine Schule in Chemnitz besucht, „… die wirklich ein hervorragendes Programm fährt. Die Schule hat ganz besondere Angebote, nicht nur für Kinder, die sehr eingeschränkt sind, sondern die teilweise auch multiple Einschränkungen haben. Relativ schnell wird deutlich, dass so etwas an der Regelschule im Normalfall nicht funktionieren kann. Schon bei den räumlichen Voraussetzungen, die nicht gegeben sind oder weil die personellen Voraussetzungen nicht funktionieren.“
Der Mangel an Sonderpädagogen existiert schon seit Jahrzehnten, bestätigt der Minister. Sachsen selbst habe 220 Plätze für angehende Sonderpädagogen. Viele der Studenten gehen nach der Ausbildung wieder in ihre Heimat-Bundesländer zurück. Von 16 Bundesländern bilden 10 gar keine Sonderpädagogen aus, beschreibt der Minister die Problematik. Der Minister verschweigt nicht, wie ungerecht er diese Verteilung sieht. Trotzdem, Sachsen begegnet der Problematik mit dem Aufstocken der FSJ-Stellen (Freies Soziales Jahr), was deutschlandweit so einmalig existiert. Viele dieser FSJler entscheiden sich anschließend dafür Sonderpädagogik zu studieren und hoffentlich auch danach in Sachsen zu bleiben.
Gemeinsam länger lernen?
Anschließend ist da auch das Thema „Gemeinsam länger lernen“ im Raum. „Ich glaube“, sagt Piwarz, „Bildungspolitik ist so mit Ideologie aufgeladen und das von allen Seiten, dass es schwierig ist einen Konsens zu finden.“
Wie lange werden wir noch Seiteneinsteiger brauchen?
Gefragt zu den nächsten Schritten im Ministerium führt Piwarz aus, dass die Arbeit am Lehrplan begonnen habe. Die letzte Lehrplan-Überprüfung liegt 15 Jahre zurück. Er erwarte, dass wir 2025 unser Problem was die Lehrerversorgung betrifft, so weit bearbeitet haben, dass wir wieder unseren Bedarf mit ausschließlich grundständig ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern abdecken können. Der neue Lehrplan soll dann auch stehen. Das ist zwar sehr ambitioniert aber möglich, so der Minister weiter.
Wer unterstützt die Zusammenarbeit von Schulleitung und Elternvertretung?
Das nächste Thema ist der größere Entscheidungsraum den Schulleiter mit dem neuen Schulgesetz zugestanden bekommen haben. Die Elternsprecherin der Eltern Leipzigs Petra Elias sieht hier auch Spielraum für den Elternrat der Schule. Die Voraussetzung dafür ist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Schulleitung und der Elternvertretung. In manchen Schulen ist dies ausbaufähig.
„Wie können wir Lehrer zu einem bestimmten handeln ermuntern?“, spricht sie das Thema ‚Ansprüche der Elternschaft‘ und dem, was Schule zur Zeit leisten kann, an. Kontinuierliches Bohren dicker Bretter, ist die nicht ganz ernst gemeinte Empfehlung des Ministers und er wird sofort wieder ernst. Sachsen hat 1400 staatliche Schulen. Er hat tolle Schulleiter erlebt, die teamorientiert sind und eng mit der Schulkonferenz zusammenarbeiten. Unterstützung können hier Schulreferenten geben. Doch diese sind im Augenblick eher als Feuerwehr unterwegs, um die Auswirkungen des Lehrermangels gering zu halten. Schulreferenten sollen in erster Linie das pädagogische Konzept einer Schule unterstützen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und Elternvertretung.
Wird es Schulassistenz auch für Leipzig geben?
Ein weiteres Augenmerk des Ministers ist die Entlastung der Schulleiter von administrativen Aufgaben. Gerade wenn Schulen immer größer oder begehrter werden: So ist die Leipziger Gerda Taro Schule von den Anmeldezahlen her, das dritt beliebteste Gymnasien in ganz Sachsen.
Die erste Phase der Schulassistenz ist erfolgreich verlaufen. In der zweiten Stufe werden 110 weitere Schulassistenten für die Verwaltung von Schule eingestellt. Auch Leipzig ist mit dabei.
Wer bestimmt über Schulsozialarbeit?
Auf das Thema Schulsozialarbeit angesprochen verweist der Kultusminister auf die Stadt Leipzig. Vor nicht mal sechs Wochen (06.03.2019) hatte der StadtElternRat die bildungspolitischen Sprecher der Fraktionen im Stadtrat zu Gast. Auch diese wurden von den Eltern zu ihrer Position in Bezug auf mehr Schulsozialarbeit gefragt. Diese hatten auf das Land verwiesen, führt Michael Gerhardt aus, der die Gesprächsrunde moderiert. „Schulsozialarbeit ist kommunale Aufgabe!“, betont der Minister. Er fordert die Eltern auf, ihre Möglichkeiten der Mitwirkung noch stärker zu nutzen. Bloß weil das Land die Notwendigkeit von Schulsozialarbeitern im Oberschulbereich gesetzlich verankert hat, entbindet dies die Kommune nicht davon Schulsozialarbeit an weiteren Schularten zu etablieren.
Demokratischem Handeln für Schüler erlebbar machen, aber wie?
Das Wort der politischen Bildung ist gerade in aller Munde. Was denn darunter zu verstehen sei, kommt die Frage aus dem Publikum. Der Minister empfiehlt die Broschüre „W wie Werte“ und betont, dass vor allem die Folgen von demokratischem Handeln für Schüler erlebbar gemacht werden müssen. Piwarz ermuntert die Eltern, Mandatsträger aus Kommune Land und Bund in die Schule einzuladen. Nur so können Schüler aus erster Hand erfahren, wer was auf welcher Ebene entscheiden darf.
Freie Schule gründen – wie kann das gelingen?
Inwiefern der Minister die Gründung von Freien Schulen in Leipzig unterstützen könne, fragt ein Elternvertreter aus einer Schulgründungsinitiative. Natürlich vorrangig in Richtung Lehrerverbeamtung an staatlichen Schulen gefragt – so können das Freie Schulen nicht zahlen.
Der Minister verweist auf einen Landtagsbeschluss aus dem Dezember des vergangenen Jahres, nachdem die Freien Schulen Ende April mehr Geld ausgezahlt bekommen werden. Seine Empfehlung an die Gründungsinitiative ist zudem ihre Hausaufgaben zu machen, die das Landesamt für Schule und Bildung den Gründern auflegt. Auch die Evaluation zur Finanzierung läuft. Sie soll im dritten Quartal abgeschlossen sein und „dann setzen wir uns noch mal mit den Vertretern der Freien Schulen zusammen, um anzugucken, in wie weit unserer Gesamtkonstrukt der Finanzierung der Freien Schulen ausreichend ist.“ Dann soll auch noch mal über mögliche Änderung gesprochen werden.
Wird es wieder Klassenleiterstunden geben?
Die Veränderung der Stundentafel wird auch vom StadtSchülerSprecher Johannes Gosch angesprochen. Der Minister betont, dass den Schulleitungen freigestellt ist, ob sie die Kürzungen so umsetzen möchten. Sie verfügen über freie Stunden, welche prioritär eingesetzt werden können. Die entsprechenden Anpassungen des Lehrplanes werden Ende Mai erwartet, so dass die Lehrer schon reinschauen können. Auch die Notwendigkeit der Klassenleiterstunden sieht der Minister. Um diese derzeit in der Stundentafel mit einzurichten, bräuchte er bei den jetzigen 19.000 Klassenleitern im Freistadt 700 zusätzliche Lehrer. Diese sind aber nicht zu haben. Er scheut sich an dieser Stelle nicht, die Planungsfehler der vorherigen Jahre zu benennen. Als eine Konsequenz von vielen werden jetzt die Schülerprognosen alle zwei Jahre erhoben.
Am Ende sind immer noch Fragen offen. Kultusminister Piwarz und LaSuB Heynoldt bieten an, im Anschluss an die große Runde noch für die individuellen Anliegen der Eltern bereit zu stehen. Die Elternvertreter nehmen dieses Angebot gerne wahr und nutzen auch die Möglichkeit, Fragen per E-Mail an den StadtElternRat zu senden, welche dann gesammelt weitergegeben werden.
Der StadtElternrat bedankt sich bei allen Gesprächsteilnehmern für den gemeinsamen Abend und die konstruktive Kommunikation auf Augenhöhe im Miteinander.
Petra Elias
Vorstand des StadtElternRats