Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Leipziger Stadtrates,
wie Sie wissen, soll die Gerda-Taro-Schule langfristig zu einem 6-zügigen Gymnasium ausgebaut werden.
Diese Entscheidung wird mit dem großen und gewachsenen Bedarf an Gymnasialplätzen in unserer Stadt begründet. Wir sehen diese Dringlichkeit ebenso und wir finden es auch richtig und wichtig, dass jedes Kind in zumutbarer Entfernung zu seinem Wohngebiet auch auf (s)ein Gymnasium gehen kann – auch auf das „unsere“.
Dennoch sehen wir die geplante 6-Zügigkeit äußerst kritisch und haben den Eindruck, dass die Planung nicht den Interessen von Lernenden und Lehrenden gerecht wird. Darüber hinaus ist die konkret geplante Erweiterung der Gerda Taro Schule aus unserer Sicht auch mangelhaft. Sie lässt erhebliche und wichtige Faktoren außer Acht.
Warum?
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Die Schule wird bei voller Belegung nach der derzeitigen Planung ca. 1.300 Schülerinnen und Schüler haben. Etwa 100 bis 130 Lehrerinnen und Lehrer werden das Kollegium bilden. Das ist für eine Schule extrem groß. Sowohl für Schüler wie auch für Lehrer bedeutet dies die Entstehung eines anonymen Lernraumes, ein Schulgemeinschaftsgefühl kann hier kaum entstehen. Die Kommunikation und der professionelle Austausch innerhalb eines solch großen Lehrerkollegiums ist nicht mehr im notwendigen Umfang möglich und lässt sich bei dieser Größe auch nicht mehr optimal steuern. Bislang gibt es in Leipzig kein 6-zügiges Gymnasium.
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Die Gerda-Taro-Schule befindet sich in der Aufbauphase, das heißt, es wird Aufbauarbeit geleistet. Dies ist vergleichbar mit einer Unternehmensgründung: Strukturen und Prozesse müssen ebenso definiert werden, wie in den verschiedensten Feldern konzeptionell umfangreich Grundlagenarbeit geleistet werden muss. Zeitgleich wächst das Lehrerteam kontinuierlich um 10 Lehrer pro Jahr, die ebenfalls ins Kollegium integriert werden wollen. Und nicht zuletzt kommen pro Jahr ca. 160 neue Schüler hinzu. Und hier soll „mal eben“ eine 6-Zügikeit etabliert werden.
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Die baulichen Planungen berücksichtigen zwar einen Mehrbedarf an Unterrichtsräumen, vernachlässigen aber den Mehrbedarf an anderer Stelle.
Bei den Mensaplätzen für die Mittagsversorgung der Schüler sind Kapazitätsgrenzen absehbar. Die Funktion der Aula als Ausweichraum zur Mittagsversorgung schränkt deren vielfältige und bei wachsender Schülerzahl umfangreichere Verwendung im Schulalltag absurd ein. Eine normale Nutzung der Aula wird faktisch unmöglich.
Die Sporthalle muss sich die Schule zusätzlich mit 4 anderen Schulen teilen, dies erfordert kaum zu bewältigenden Planungsaufwand. Schlimmer aber ist die daraus folgende Reduzierung des Sportangebots.
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Aufgrund der Lage der Schule ist die Anbindung an den ÖPNV grundsätzlich schwierig und durch den regulären ÖPNV nicht gewährleistet. Derzeit sind zwei Sonderlinien als Zubringer zu ausgewählten Zeiten eingerichtet, diese decken jedoch das tatsächliche Einzugsgebiet nicht vollständig und zeitlich unflexibel ab. Der Bedarf ist nicht gedeckt.
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Ein großer Teil der Schüler erreicht die Schule mit eigenen Fahrrädern, die während des Schultages sicher abgeschlossen sein müssen. Die Fahrradbügel an der Schule reichen jedoch schon jetzt nicht mehr aus. Derzeit stehen 162 Bügel für 511 Schülerinnen und Schüler sowie 33 Lehrende zur Verfügung. Im neuen Schuljahr werden es ca. 180 Lernende und Lehrende mehr sein. Für den Erweiterungsbau sind lediglich 12 zusätzliche Fahrradbügel vorgesehen.
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Viele Schüler überqueren die Fahrbahn zwischen Park und Schule an der Verkehrsinsel Karl- Tauchnitz-Str. / Telemannstraße. Aufgrund der Lage an einer Kurve und der schlechten Einsicht ist das trotz der Insel gefährlich und damit eine ungenügende Querungslösung.
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Dass bei einer Schule mit 1.400 Heranwachsenden – unabhängig von der Schulart – keine Schulsoziarbeiter geplant sind, das ist nicht nur unverständlich, es ist riskant.
Dennoch ist Schulsozialarbeit derzeit an Gymnasien nicht wirklich vorgesehen. Jedoch treten auch an Gymnasien vielfältige Probleme auf: u.a. Mobbing, extremistische Meinungsäußerungen, soziale Vernachlässigung aber gerade auch psychischer Leistungsdruck. Die Schülerschaft wird immer heterogener, Probleme immer vielfältiger, die Anzahl von Konflikten steigt. Die rasante gesellschaftliche Veränderung überfordert oft unsere Kinder, uns Eltern und die Lehrkräfte. Dies kann nur durch zusätzliche Schulsozialarbeiter aufgefangen werden.
Wir befürchten, dass langfristig aufgrund der geplanten Größe vielfältige Probleme „vorprogrammiert“ sind.
Aus unserer Sicht sind wesentliche Aspekte einer Schulerweiterung bislang gar nicht Bestandteil der Planung. Sie berücksichtigt im Wesentlichen ausschließlich die räumliche Bedarfsplanung.
Wir möchten Sie deshalb bitten, Einfluss auf die Realisierung der Erweiterung zu nehmen bzw. grundsätzlich zukunftsfähige Weichenstellungen, die über die bauliche Sicherstellung hinausgehen, für die Leipziger Gymnasien vorzunehmen:
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Lassen Sie sich belegen, dass die ganz konkreten Raumkapazitäten und Schülerzahlen an anderen Gymnasien tatsächlich die andauernde 6-Zügikeit an einzelnen Leipziger Gymnasien notwendig macht.
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Stehen Sie über Parteigrenzen hinweg für Schulsozialarbeit ein – insbesondere erwarten wir, dass diese sofort bei 6-zügig geplanten Gymnasien und zeitnah auch an anderen Gymnasien eingeführt wird. Fordern Sie dabei Ihre Parteifreunde im Landtag auf, dies grundsätzlich und sofort zu unterstützen.
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Pochen Sie auf eine langfristig sinnvolle Lösung beim Thema Mensa, die es erlaubt, dass möglichst alle Schülerinnen und Schüler zu Mittag essen können. Der Bedarf ist groß! Unser Essensanbieter erfreut sich größter Beliebtheit und als Eltern unterstützen wir eine gesunde Ernährung, die dem „Handlungsfeld Ernährungs- und Verbraucherbildung des Landes Sachsen“ entspricht.
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Fordern Sie eine gute Anbindung an den ÖPNV bzw. beauftragen Sie die Leipziger Verkehrsbetriebe, diese unter Einbeziehung der Schule bzw. des Elternrates für 2019/2020 und für die folgenden Jahre sicherzustellen.
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Fordern Sie die Verkehrssicherheit an Schulen ein, insbesondere bei hochfrequentierten Standorten mit kritischen Kreuzungspunkten – notfalls zugunsten der Wegesicherheit unserer Kinder und zu Ungunsten des motorisierten Individualverkehrs.
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Machen Sie sich mit uns stark für eine Schulentwicklungsplanung, die nicht nur einen quantitativen Ausbau beinhaltet, sondern auch einen hohen qualitativen Standard für alle Leipziger Schulen gewährleistet.
Zum weiteren Vorgehen:
Wir möchten Sie bitten, noch vor den Kommunalwahlen zu den 6 letztgenannten Punkten Ihr ganz konkretes Statement unserer Elternschaft kundzutun.
Wir wollen nach den Kommunalwahlen und vor den Sommerferien einen Runden Tisch initiieren, um für die genannten Probleme Lösungen auf den Weg zu bringen. Bitte nennen Sie uns Ihre/n Vertreterin bzw. ihren Vertreter, wenn diese/r nach den Wahlen feststeht.
Selbstverständlich stehen wir auch sehr gern im Vorfeld für Rückfragen, Gespräche und Lösungsimpulse zur Verfügung.
Dafür vorweg vielen Dank.
Jan Hünicke (Elternratsvorsitzender)
André Jaroslawski (Mitglied des Elternrates)