Stellungnahme Ausschuss FöS/ FKE im LER Sachsen zum Volksantrag Gemeinschaftsschule

Die Bedürfnisse von Kindern mit Förderbedarf werden im Volksantrag zur Gemeinschaftsschule nicht berücksichtigt.

 

Der Ausschuss Förderschulen im Landeselternrat Sachsen hat folgende Stellungsnahme dazu abgegeben:

 

Die ohne Gesetzesangabe benannten Paragraphen beziehen sich auf den Entwurf des Schulgesetzes, wenn dem Volksantrag zugestimmt wurde.

Mit vorliegendem Antrag wird eine Schulart geschaffen, in welcher alle bisherigen Schularten vereint werden sollen. Wünschenswert wäre aus unserer Sicht gewesen, zu diesem Zeitpunkt auch einen Entwurf für eine Schulordnung vorzulegen. So wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass trotzdem an den bisherigen Schularten und den zugehörigen Schulordnungen festgehalten wird.

Schulartübergreifend beanstanden wir die in § 7a Abs. 1 S. 1 verwendete Formulierung „Bildungsgang“ für die Anwendung im sächsischen Schulgesetz als zu  unbestimmt. Die Primarstufe selbst ist kein eigenständiger Bildungsgang. Allgemein werden die in der Oberschule vereinten Abschlussmöglichkeiten für Haupt- und Realschulabschluss als Bildungsgänge bezeichnet. Es ist nicht erkennbar, inwieweit hier die gymnasiale Sekundarstufe I und Sekundarstufe II bewusst Berücksichtigung finden.

§ 7a Abs. 1 S. 2 möchte den Kindern die Möglichkeit auf alle in Sachsen erreichbare Schulabschlüsse ermöglichen. Gleichzeitig wird in § 7a Abs. 3 eine Einschränkung der Gemeinschaftsschule auf Schulstufen zugelassen. Weder wird ohne die Primarstufe der Grundgedanke des „länger gemeinsam lernen“ weitergetragen noch erfolgt für das Abitur eine genaue Festlegung der Kooperationspartner (Gymnasium/ Gemeinschaftsschule ohne Abweichung des § 7a Abs. 3 / Fachoberschule / berufliches Gymnasium).

§ 7a Abs. 2 S. 2 wird mit der abschlussdifferenzierten Arbeitsweise schwierig. Im Hauptschulgang beginnt diese Phase oft bereits in Klasse 8, auch hinsichtlich der Berufsorientierungsmaßnahmen und Praktika.

Die geforderte Änderung in § 34 Abs. 2 S. 1 statt der Schularten nur allgemein bildende Schulen zu benennen, wird als unzutreffend zurückgewiesen. Auch Förderschulen gelten als allgemein bildende Schulen, differenziert wird durch den angewendeten Lehrplan. Aus unserer Sicht wäre vielmehr durch die in § 7a Abs 3 eröffneten Wahlmöglichkeiten die Hinzufügung des Satzes „Die Eltern werden über die erreichbaren Schulabschlüsse an der Gemeinschaftsschule informiert.“ notwendig, da man eben nicht davon ausgehen kann, dass die Kinder an jeder Gemeinschaftsschule alle in Sachsen möglichen Schulabschlüsse erreichen kann.

Bei den beabsichtigten Änderungen zum Sächsischen Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft beanstanden wir die dortigen Entwürfe zu § 13 Abs. 3 S. 3 als generelle Besserstellung gegenüber den anderen Schulen in freier Trägerschaft und § 14 Abs. 3 Nr. 11a als Besserstellung des Primarbereiches gegenüber anderen Schulen mit Primarbereich. Die Besserstellung ist mangels Begründung nicht zu akzeptieren.

 

Aus Sicht des LER- Ausschusses FöS/FKE wäre die Differenzierung der Mindestschülerzahlen für die Gemeinschaftsschule in § 4a Abs. 1 Nr. 3a bezugnehmend auf § 4a Abs. 1 Nr. 1 – 3 auf 16 Schüler im Primar- und 20 Schüler im Sekundarbereich  im Sinne der Kinder erheblich vorteilhafter.

Der Grundgedanke der Gemeinschaftsschule zur Sicherung von Standorten wird  LER-Ausschuss FöS/FKE grundsätzlich begrüßt. Jedoch bestehen große Zweifel, ob mit den in § 4a Abs. 3 und § 4b Abs. 3 a genannten Zügigkeiten und damit verbundenen Zuweisungen von Stunden und Lehrkräften das Bildungsziel qualitativ wirklich dauerhaft für alle Schüler erreicht werden kann.

Da noch die Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf hinzukommt,  haben Lehrer dann in Sekundarstufe I in einer Klassen die lernzieldifferente Beschulung nach bis zu 6 Lehrplänen sicher zu stellen (Haupt- und Realschule, gymnasiale Oberstufe, Förderschwerpunkt Lernen, Förderschwerpunkt geistige Behinderung, sonstige Förderschwerpunkte sozial-emotional/ Sprache/ Sehen/ Hören/ körperliche Behinderung).

Wir verweisen auf den Schulversuch ERINA, bei welchem Kinder mit den Förderschwerpunkten Lernen und geistige Behinderung in Regelklassen inklusiv unterrichtet wurden. Was organisatorisch im Primarbereich gut möglich war, erwies sich in der Sekundarstufe I als schwierig. Die Lehrinhalte zwischen Oberschule und Förderschulen differieren mit steigender Klassenstufe zunehmend,  was im Schulversuch zu einer geringeren Ausbildung lebenspraktischer Kompetenzen bei den inklusiv beschulten Kindern und letztlich zu verminderter gemeinsamer Unterrichtszeit geführt hat. Im Schulversuch war – im Gegensatz zu den Bestrebungen der Gemeinschaftsschule- die gymnasiale Oberstufe I nicht Betrachtungs- und Versuchsgegenstand. Die Lerninhalte zwischen Gymnasium und Förderschule weisen noch stärkere Abweichungen der Lernpläne auf.

Wir befürchten, dass Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf zur Sicherung der Mindestschülerzahlen aufgenommen werden, ohne dass die Förderung der Kinder im Vordergrund steht. Besonders da bei diesen Kindern nicht die reine Stoffvermittlung im Vordergrund steht, sondern eine individuelle Förderung und eine damit verbundene räumliche und personelle Ausstattung gewährleistet werden kann.  Eine Weiterbildung zum Thema Inklusion kann eine Förderschulausbildung nicht ersetzen. Aktuell kann bereits der Lehrerbedarf an Förderschulen mangels geeigneter Personen nicht abgedeckt werden. Wir zweifeln es erheblich an, ob der Lehrermangel gerade in der zu gewichtenden Stunden- und Lehrerzuweisung der Gemeinschaftsschule ausreichend abgedeckt werden kann und verweisen auf § 4c Abs. 5 Nr. 1 SchulG.

Der schulische Erfolg von Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf fußt auf Beständigkeit und ist ein grundlegendes Entscheidungsmerkmal für Eltern, wenn diese das Wahlrecht zwischen der inklusiven Beschulung und der Beschulung an einer Förderschule entsprechend § 4c Abs. 5 S. 1, 1. Halbsatz SchulG ausüben.  Das sehen wir in der Flexibilität der Schulart und den kurzfristigen Änderungsmöglichkeiten in der Zügigkeit nicht gegeben.

Durch § 13 Abs. 2 S. 10 SchulG erhalten Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen an den entsprechenden Förderschulen nach Besuch der Klasse 9 ohne gesonderte Prüfung den Hauptschulabschluss. Das wurde bisher im Schulgesetz nicht auf die inklusiv beschulten Kinder übernommen. Das allein ist eine Schlechterstellung. Die Änderung ist geplant, der Zeitpunkt für die Änderung aber noch nicht absehbar. Weder in § 6 Abs. 3 noch in § 13 Abs. 2 wurde für die Gemeinschaftsschule eine entsprechende Regelung aufgenommen!

Kinder mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung absolvieren die 12-jährige Schulpflicht bisher vollständig in der Förderschule, die Werkstufe (welche den Klassen 10-12 entspricht, § 5 Abs. 2 SOFöS), können  mit dem vorliegenden Gesetzesantrag nicht gewährleistet werden. § 28 Abs. 1 Nr. 1 begrenzt die Beschulung auf Klasse 9. Im aktuell geltenden § 28 Abs. 1 Nr. 1 SchulG wird auf die Vollzeitbeschulung in weiterführenden allgemeinbildenden Schulen. Auch Förderschulen sind allgemeinbildende Schulen!

Die Gemeinschaftsschule wird weitgehend den Vorschriften der Oberschule gleichgestellt, welche eine Beschulung bis zur 9. Klasse sicherstellt. Der Primarbereich und die gymnasiale Oberstufe sollen dann über Kooperationen mit anderen Schulen abgedeckt werden. Dies macht nicht nur die Planungen für diese Schulen schwierig (Stichwort Schulentwicklungsplanung § 23 Abs. 1), Kooperationen mit Förderschulen sind nicht benannt und werden durch die Kooperationsverbünde nicht abgedeckt. Da man sich entsprechend § 64 Abs. 12 Entscheidungen der Schulträger verbietet, ergibt sich aus § 34 Abs. 6 S. 2 ein nicht hinnehmbarer Widerspruch.

Die betroffenen Kinder mit Förderschwerpunkt geistige Behinderung wären vom Schulbesuch einer Gemeinschaftsschule von vornherein damit ausgeschlossen (weil § 4c eben Abs. 5 eben nicht umsetzbar ist). Das kommt einer Diskrimination gleich,  genau dies soll durch Art. 24 der EU-Behindertenkonvention und dem Inklusionsgedanken verhindert werden. Ländergesetze müssen die EU-Vorgaben umsetzen, Übergangsvorschriften sind abgelaufen.

Wir sprechen uns vorerst gegen eine Beteiligung der Gemeinschaftsschulen im Landesbildungsrat entsprechend § 63 Abs. 3 aus. Es ist bislang nicht absehbar, ob/ wann/ wo und welchem Umfang Gemeinschaftsschulen gebildet werden. Weiterhin kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob wirklich eine neue Schulart entsteht oder es verschiedene Schularten in einem Haus vereint werden. Mit § 64 Abs. 12 grenzt man sich auch vorerst aus der Schulnetzplanung aus, gleichwohl werden gegenüber anderen Schularten Gleich- bzw. Besserstellungen eingefordert. Das ist ein Widerspruch. Erst wenn alle Schularten gleichgestellt sind in ihren Rechten und Pflichten, darf auch auf Ebene der weiterführenden Gremien eine Gleichstellung erfolgen.

 

Fazit:

Der Volksantrag will den Fortbestand von Schulen sichern, kurze Schulwege und soziale Kontakte in der für Kinder erreichbaren Umgebung sind wichtige Faktoren für  einen guten Schulerfolg. Das gilt uneingeschränkt für alle Schularten. Gleichzeitig soll eine bessere Durchlässigkeit im Schulsystem erreicht werden, was der unterschiedlichen individuellen Entwicklung der Kinder Rechnung trägt.  Das ist positiv.

Sehr negativ fällt auf, dass man – teils offensichtlich, teils weniger offensichtlich- versucht, bestehende Nachteile der aktuellen Schularten zu umgehen versucht. Hier sehen wir für eine Gleichstellung der Schularten erheblichen Nachbesserungsbedarf.

 

Im Zielgedanken sind aus unserer Sicht jedoch die Besonderheiten der einzelnen Schularten zu wenig berücksichtigt, insbesondere den Anforderungen der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird zu wenig Beachtung geschenkt. Dies kommt insbesondere bei der Klassenbildung (höhere Schülerzahl im Primarbereich und der Beschulungsdauer (Werksstufe der Geistig Behinderten bleibt unberücksichtigt, unkalkulierbar durch § 7a Abs. 3) zum Ausdruck. Deshalb lehnen wir als LER-Ausschuss FöS/FKE den Volksantrag zur Gemeinschaftsschule ab!