Es geht vorwärts. Dennoch verordnet Petra Elias der Stadt Leipzig Nachsitzen. Die 48-jährige Bürokauffrau leitet den Stadtelternrat Leipzig, der alle Elternsprecher an den hiesigen Schulen vereint und sich in Teamarbeit um die Belange der Bildungsstätten kümmert. Im LVZ-Interview äußert sich Petra Elias, Mutter dreier Kinder, zur Schulsituation in Leipzig.
Sie haben im Vorjahr Noten vergeben. Die Schulbehörden bekamen für den Fleiß eine Eins, für das Ergebnis ein Unbefriedigend. Würden Sie diese Benotung so wiederholen?
Die Zusammenarbeit, die ich mit der Stadt in diesem Jahr erlebt habe, war wirklich große klasse. Der Stadtelternrat ist in vielen Gremien vertreten, darunter auch im sehr wichtigen Unterausschuss Schulnetzplanung. Dieser ist an der Planung von Klassen beteiligt. Es sind aber nach wie vor in Leipzig nicht genügend Unterrichtsräume da. Deshalb muss ich in diesem Jahr leider sagen: Die Stadt hat sich super bemüht, muss dennoch die Klasse wiederholen.
Trifft dies auch für das Landesamt für Schule und Bildung zu?
Nein. Lehrer gehen sehr sorgfältig mit der Bewertung um, ob ein Kind die Klasse wiederholen muss oder nicht. Das mache ich natürlich auch. Das Landesamt für Schule ist darauf angewiesen, dass der Schulträger Stadt Leipzig genügend Unterrichtsräume bereitstellt. Das hat die Stadt Leipzig leider nicht geschafft. Wir sehen es daran, dass Kinder vermehrt, nicht so ohne weiteres die Schule oder die Schulform wechseln können. Durch die Verdichtung von Schulen, also weil immer mehr Kinder an einem Ort lernen, konnte das Landesamt sogar Synergien mit der Lehrerversorgung nutzen. Wie es aussieht, ist die Lehrerversorgung fürs kommende Schuljahr abgesichert.
Sie sind also mit der Arbeit des Landesamtes zufriedener als mit jener der Stadt?
Im Ergebnis ja. Wir haben jetzt Schüler, die die Klasse an einer anderen Schule wiederholen müssen.
Woran liegt das?
Die unteren Klassen sind voll. Die Stadt hat es nicht geschafft, wenige Reserven vorzuhalten. Das ist nicht zu akzeptieren. Wobei Schulkonferenzen sogar zugestimmt haben, dass ein 29. Kind in die Klasse aufgenommen werden kann. Im Einzelfall sogar mehr.
Wie ist das Problem bis zum neuen Schuljahr zu lösen?
Wie die Verwaltung das schafft, kann und will ich ihr nicht vorschreiben. Dafür sitzen die Profis im Rathaus. Insgesamt können wir nur hoffen und beten, dass bis zum Schuljahresbeginn alle angekündigten Schulhausbauten, zum Beispiel in der Ratzelstraße, fertig werden. Und das auch die fehlenden Tafeln, wie in der Oberschule Am Weißeplatz, rechtzeitig montiert sind. Auch die, die schon im vorherigen Schuljahr fehlten. Unterm Strich reicht das Ergebnis nicht aus. Wir können doch nicht wie bei Kitas sagen, wir schicken die Kinder von Wahren nach Paunsdorf. Zumindest für Grundschulen gibt es Schulbezirke sowie eine Vorschrift, wie weit die Entfernung von der Wohnung bis zur Schule sein darf.
Wie viele Klassenwiederholer bekommen keinen Platz an der jetzigen Schule?
Offiziell sind es fünf. Aber ich kenne noch weitere Beispiele, in denen Eltern hoffen, dass sich in letzter Minute noch eine Lösung findet. Das mag wenig erscheinen, aber wir reden nur von diesem einen Jahr. Und es deutet sich keineswegs an, dass sich die Situation durch neue Objekte entspannt.
Der Gesetzgeber sieht ja bei entsprechenden Leistungen einen Wechsel von Oberschule aufs Gymnasium und umgekehrt vor. Wie funktioniert das?
Nur ganz schwierig. Viele beißen sich durch, bleiben beispielsweise bis zur 10. Klasse auf dem Gymnasium, weil ein Wechsel schwierig oder für die Eltern nicht zumutbar erscheint.
Aufgabe des Stadtelternrates ist es, den Finger in die Wunde zu legen. Was ist aus Ihrer Sicht das gravierendste Problem?
Die Verdichtung in den Schulen. Alle Häuser und Klassen sind inzwischen rappelvoll. Dadurch passiert auch mehr Interaktion zwischen den Schülern, die nicht immer schön ist. Ich finde es gut, dass die Zahl der zwölf Schulpsychologen um vier Stellen aufgestockt werden soll. Das reicht aber nicht für die Masse der Kinder, die bereits in der Schule ist sowie hinein drängt. Leipzig hat den höchsten Zuwachs an Schülern und die höchste Zahl an Abbrechern in Sachsen. Wer Förderunterricht machen will, braucht einen Raum. Aber wenn die alle bis in den Nachmittag hinein voll belegt sind? Da müssen noch einige Hausaufgaben gemacht werden. Ein Weiter so! hilft da nicht.
Was müsste aus Ihrer Sicht passieren?
Ganz wichtig ist, Lehrer zu entlasten, damit sie mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben haben. Da gibt es ein Handlungsprogramm, das in die richtige Richtung geht. Aber es bleibt ein Tropfen auf den heißen Stein. Wer über Jahre hinweg eine Entwicklung verschläft, holt diese nicht über Nacht auf. Die Botschaft ist aber bei Freistaat Sachsen und der Stadt Leipzig angekommen, dass in der Bildungspolitik vieles zu verändern ist. Das betrifft auch die Arbeitsbedingungen für die Lehrer.
Ein 155-Millionen-Bauprogramm der Stadt für Schulen klingt gigantisch. Warum sind Sie trotzdem nicht zufrieden?
Ich habe Bauchschmerzen, ob es wirklich funktioniert. Kann die Verwaltung dies überhaupt so schnell umsetzen? Und schaffen sie das auch in der notwendigen Qualität? Bei der Geschwindigkeit fällt doch zuerst die Bürgerbeteiligung weg. Am Bayerischen Bahnhof ist mit der ehemaligen Neruda-Grundschule ein Gebäude entstanden, das in seinem Charme an einen kühlen Bürobau erinnert. Wie ein Platz, an dem Lebensfreude und Lernlust entwickelt werden soll, sieht es dort jedenfalls nicht aus. Es gibt aber hervorragende Farbkonzepte in anderen Schulen, die umgesetzt werden können.
Die Zeit drängt. Selbst der Stadtrat bleibt in vielen Entscheidungen außen vor. Ist da die Forderung nach einem Beteiligungsverfahren realistisch?
Im Grunde ist es gar nicht mehr möglich. Dennoch liegt es im Ermessen der Verwaltung, sich individuelle Beratung zu holen. Eltern, Lehrer und Schüler sind jedenfalls dazu bereit.