Familienkompass 2020 – Wie ist der Stand in Leipziger Schulen?

Ein Artikel der LVZ vom 20.10.20 zum Familienkompass 2020

„Stadt versucht, sich im Laufschritt selbst zu überholen“
Von Mathias Orbeck

Volle Klassen sind überall ein Problem

Das überrascht sicherlich nicht: In Stadtteilen, in denen Leipzig bereits neue Schulen gebaut oder saniert hat, sind die Eltern am zufriedensten. Vorausgesetzt, ihre Sprösslinge kommen in den Genuss, eine der modernen Bildungsstätten zu besuchen. „Im Süden sind viele Schulen saniert. Da haben wir es recht gut, wobei die Klassen alle gut gefüllt sind“, sagt Nancy Hochstein, deren Tochter in einer Grundschule in der Südvorstadt lernt.

Nancy Hochstein ist die Chefin des Kreiselternrates Leipzig, bei dem sich die Probleme, die das Thema Schule mit sich bringt, bündeln. Die Eltern erkennen die Bemühungen der Kommune durchaus an. „Die Stadt Leipzig versucht im Laufschritt, sich selbst zu überholen, um die Fehler der vorangegangenen Jahre wettzumachen.“

Die Turnhalle fällt bei allen durch

Bei aller Euphorie, die die Stadtverwaltung dank ihres millionenschweren Schul-Investitionspakets verbreitet: Es liegt nach wie vor einiges im Argen. Beispiel Leipziger Westen, der von den Eltern beim Familienkompass am schlechtesten bewertet wurde. 1539 Frauen und Männer aus der Messestadt, die Kinder im Haushalt haben, nahmen an der Umfrage teil. Sie vergaben für den Bauzustand auf einer Skala von 1 bis 5 die Durchschnittsnote 2,70. Doch im Leipziger Westen reichte es nur für 3,01.
In Grünau wird zwar das neue Schulzentrum gebaut (geplante Investitionssumme: 52 Millionen Euro). Doch der jahrelange Unterricht neben der Baustelle ist mit vielen Erschwernissen für die Kinder verbunden. Andere Bildungsstätten wie die 84. Oberschule in der Stuttgarter Allee warten hingegen weiter auf notwendige Reparaturen. Das Gebäude der „84.“ ist zwar energetisch saniert und somit zumindest von außen hübsch gemacht worden. Im Innerenallerdings ist nicht viel passiert. „Die Turnhalle wird von Schule und Eltern seit mehr als zwei Jahren heftig beanstandet“, schildert Elternvertreterin Ines Mäder. Der Boden sei kaputt, Rohre seien nicht mehr in Ordnung, Sanitär- und Umkleidekabinen müssten dringend erneuert werden.

Mängelliste umfasst 50 Punkte

An der 100. Grundschule am Miltitzer Weg wird lauf Elternvertreter Marco Müller sogar eine Mängelliste mit 50 Punkten geführt. Von Schäden an der Tapete über abgenutzte Böden bis hin zu maroden Fenstern wurde alles aufgeführt. Dabei investiert die Kommune durchaus in den Standort, etwa in den Ausbau des Schulhofes. „Die Entwicklung im Bildungsbereich geht rasant voran, dennoch findet der Unterricht teilweise in Räumen und mit Materialien von vor 15 Jahren statt. Im Hinblick darauf, dass die Kinder für die moderne Zukunft gewappnet werden sollen, ist das so nicht hinnehmbar“, konstatiert Nancy Hochstein.
Besonders im Fokus derzeit: Gibt es überall warmes Wasser und Seife, damit sich die Kinder in Corona-Zeiten regelmäßig die Hände waschen können? Der Kreiselternrat wird sich mit Forderungen an der Diskussion um den neuen Leipziger Haushalt 2021/22 beteiligen. „Wir werden wieder Bürgereinwände einreichen, um auf den Reparaturstau an den Schulen hinzuweisen“, kündigt die Vorsitzende des Kreiselternrates an.

Die Stadt hat im Jahr 2020 bislang etwa sechs Millionen Euro für Reparaturen ausgegeben. Weitere zehn Millionen Euro für Instandsetzungen und kleinere Sanierungen – etwa an den Toiletten, Fußböden, der Beleuchtung, beim Umbau/Ausbau von ehemaligen Hausmeisterwohnungen, Brandschutz, bei den Grundleitungen – sind hinzugekommen. „Prinzipiell sind alle Schulen der Stadt Leipzig in einem betriebsfähigen Zustand. Mängel werden aus einem dafür vorgehaltenen Budget auch kurzfristig abgestellt“, sagt eine Sprecherin der Stadtverwaltung. Grünau befinde sich bei allen Mängeln im Fokus baulicher Maßnahmen. Neben dem Schulzentrum Grünau als einem der „größten Bauvorhaben“ der Stadt beginnen beispielsweise im nächsten Jahr die Planungen für die energetischen Sanierungen der 100., der Friedrich-Fröbel- und der 91. Schule. „Mittelfristig sollen zwei weitere neue Grundschulen in Grünau entstehen“, kündigt die Sprecherin an.

Vielerorts fehlen separate Hortzimmer

Ein weiteres Ärgernis für viele Eltern sind die vollen Klassen. Die sind in allen Stadtteilen ein Problem. Bis auf den Leipziger Osten steht bei der Befragung überall eine Drei vor dem Komma. In vielen Schulen sind die Räume ausgereizt. Separate Hortzimmer gibt es für Grundschüler oftmals nicht. Die schlechtesten Werte gelten hier dem Norden und Nordosten Leipzigs. Wobei Stadtteile wie ganz Gohlis besonders herausstechen. Dort bewerten Eltern die Klassenstärke besonders schlecht. Die durchschnittliche Belegung in den Grundschulen der Stadt Leipzig betrage 22 Schüler je Klasse – bei einer Obergrenze von 28, heißt es im Rathaus. In Gohlis sei dieser Wert um eins höher, liege also bei 23 Schülern je Klasse. Diese Abweichung habe nichts mit höheren Geburtenzahlen zu tun, sondern sei den zufälligen Verteilungen in den Schulbezirken geschuldet.
Ein Lichtblick in der Umfrage stellt übrigens Möckern (1,85) dar. Dort sind Schulen wie das Heisenberg-Gymnasium und die Oberschule Diderotstraße saniert. Allerdings: Hier gibt es deutlich weniger Schulen als in anderen Stadtteilen (Möckern: vier Schulen; Grünau: 19 Schulen).

Der Kreiselternratsvorsitzenden Nancy Hochstein brennt noch etwas anderes auf der Seele. „Wir haben uns zwar Inklusion auf die Fahnen geschrieben, das funktioniert aber nur in kleineren Klassen“, sagt sie.
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