Wie wird der Pflegegrad bei Kindern festgelegt – Welche Dinge sind ausschlaggebend?
Der Pflegegrad muss durch die Sorgeberechtigten bei der Pflegekasse (ist angegliedert an die jeweilige Krankenkasse) beantragt werden. Das passende Formular findet man im Netz, bzw. wird einem auf Nachfrage von der jeweiligen Krankenkasse zur Verfügung gestellt.
Reicht man den Antrag ein, bekommt man nach ca. 7 Tagen Post mit einem Termin zur Begutachtung durch den MD Sachsen (= Medizinischer Dienst Sachsen) zugesandt. Meist liegt der Termin in der Woche am Vormittag. Der Hausbesuch dauert ca. 1-1,5 h; derzeit sind wegen Covid aber auch telefonische Begutachtungen zugelassen.
Der Gutachter erstellt ein ca. 18-seitiges Gutachten am Laptop. Es ist günstig, Befunde und Therapieberichte (z.B. vom Physiotherapeuten) in Kopie für den Gutachter bereit liegen zu haben. Diese können/sollten dann auch mitgegeben werden.
Es gibt Assessments für Kinder und Erwachsene (findet man im Netz)
Der Pflegegrad berechnet sich aus 8 Modulen, welche unterschiedlich stark gewichtet werden.
Max. Punktzahl | Gewichtung | |
Modul 1: Mobilität | 15P | 10% |
Modul 2: kognitiv und kommunikative Fähigkeiten * | 33P | 15% |
Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen* | 65P | 15% |
Modul 4: Selbstversorgung | 54P | 40% |
Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen | 15P | 20% |
Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte | 18P | 15% |
Modul 7: außerhäusliche Aktivitäten | 0% | |
Modul 8: Haushaltsbewältigung | 0% |
*entweder/oder: Nur das Modul mit der höchsten Punktzahl fließt in die Bewertung ein
Modul 7 und 8 finden bei Kindern keine Anwendung
Als nächstes gibt es für jedes Modul eine Aufschlüsselung, bei welcher der Schweregrad der Beeinträchtigung in jedem Modul auf einer Skala von „keine Beeinträchtigung“ bis „schwerste Beeinträchtigung“ festgelegt wird. Dies wird dann in Punkte umgerechnet. Diese werden nach Gewichtung zusammengezählt und dann ergibt sich eine Punkteskala, welche den Pflegegrad bestimmt.
Bei Kindern unter 12 Jahren zählt allerdings nicht der Grad der Selbstständigkeit, sondern der Grad (das Ausmaß) der Abweichung im Vergleich zu einem „normal gesunden“ Kind bei:
- Selbstständigkeit
- Fähigkeiten
- Verhalten und psychische Problemlagen (Häufigkeit)
Für jedes Einzelkriterium ist festgelegt, in welchem Alter die 4 Stufen der Selbstständigkeit: („unselbständig“), „überwiegend unselbständig“, „überwiegend selbständig“ und „selbständig“ bzw. der Fähigkeit: „Fähigkeit nicht vorhanden“, „Fähigkeit in geringem Maße vorhanden“, „Fähigkeit größtenteils vorhanden“, „Fähigkeit vorhanden / unbeeinträchtigt“ erreicht werden.
Eine genaue Aufschlüsselung zur Berechnung des Pflegegrades kann man bei der Pflegekasse in Erfahrung bringen.
Hat man eine Pflegegrad zugesprochen bekommen gibt es Leistungen der Krankenkassen:
- A) Pflegegeld: wird gestaffelt nach Pflegegrad gezahlt. Außer beim Pflegegrad : dort besteht kein Anspruch auf Pflegegeld.
Oder
- B) Pflegesachleistungen: für den eingesetzten Pflegedienst ebenso gestaffelt nach Pflegegrad;
Oder
- C) Kombinationspflege: wenn sowohl Pflegedienst als auch Eltern pflegen;
- Entlastungsbetrag (für niederschwellige Betreuungsleistungen oder haushaltsnahe Verrichtungen: 125,- pro Monat: sammelbar, verfällt am 30.6. des Folgejahres);
- Verhinderungspflege: 1.612,-€ und
- Kurzzeitpflege:774,-€ im Jahr;
- zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel: (Einmalhandschuhe, Fingerlinge, Desinfektionsmittel, Einmal-Betteinlagen, Mundschutz) für 40,-€ pro Monat;
- Zuschuss für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: 4.000,-€ einmalig
Und
- Für Pflegende: ab 10hPflege/Woche werden abhängig vom Pflegegrad Rentenleistungen gutgeschrieben, sofern der/die Pflegende nicht mehr als 30h/Wo versicherungspflichtig arbeitet.
Zu 1.
Pflegegeld und Pflegesachleistungen:
Pflegegeld: damit stellt der Pflegebedürftige seine Pflege durch Angehörige sicher. Es zählt für den Pflegenden nicht als Einkommen. Wird also nicht auf Hartz IV oder andere Sozialleistungen angerechnet; muss aber dort mit angegeben werden.
Oder
Pflegesachleistungen: Pflege durch einen eingesetzten Pflegedienst (z.B. in Kita o. nachts)
Man kann frei zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen wählen. Viele Eltern wählen das Pflegegeld, mit dem das pflegebedürftige Kind seine Pflege durch die Angehörigen sicherstellt.
Es ist außerdem möglich, Pflegesachleistungen und Pflegegeld zu kombinieren -> sogenannte Kombinationspflege: z.B. tagsüber Pflege durch Eltern, nachts oder in Kita durch Pflegedienst. Bei Nutzung des Pflegesachleistungsbudgets erfolgt eine Reduzierung des Pflegegeldes in dem Maße wie das Schachleistungsbudget genutzt wird! Nicht selten wird dadurch das Pflegegeld komplett aufgebraucht.
Zu 2.
Der Entlastungsbetrag ist für Entlastungen der Pflegeperson(en) (pflegenden Angehörigen) bei der Pflegekasse hinterlegt. Der Entlastungsbetrag kann von zugelassenen Einrichtungen (Pflegedienst, Familienentlastender Dienst (FED), Mobiler Behindertendienst, …) oder von sog. Nachbarschaftshelfern (vgl. unten) abgerechnet werden. Die Beträge können gesammelt werden, verfallen aber am 30.06. des Folgejahres. Die Pflegekassen informieren über die noch verfügbaren Beträge.
Pflegesachleistungen können bis zu 40% zum Entlastungsbetrag umgewidmet werden – ABER: Der genutzte Prozentsatz wird vom Pflegegeld abgezogen. Die zur Entlastung eingesetzten Personen dürfen nicht Verwandte bzw. Verschwägerte bis 2. Grad sein. Die Pflegekasse muss über die Nutzung des Entlastungsbetrages im Vorfeld informiert sein. Das heißt: man muss eine schriftliche Mitteilung an Krankenkasse senden mit dem Sinn/Inhalt: „Ich möchte den Entlastungsbetrag nutzen durch…“.
Sog. Nachbarschaftshelfer müssen eine volljährige, natürliche Person sein, die nicht in häuslicher Gemeinschaft mit der zu betreuenden Person lebt und nicht als Pflegeperson im Sinne des § 19 SGB XI bei der zu betreuenden Person tätig und mit ihr bis zum 2. Grad verwandt oder verschwägert ist. Der Nachbarschaftshelfer muss einen anerkannten Kurs absolviert (Kursgebühren übernimmt die Pflegekasse des künftigen Nachbarschaftshelfers) haben oder über gleichwertige Erfahrungen und Kenntnisse in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen verfügen. Dieser Nachweis muss gegenüber der Pflegekasse vom Nachbarschaftshelfer erbracht werden, die dann denjenigen als >Nachbarschaftshelfer< anerkennt. Diese Anerkennung muss vor Betreuungsbeginn der Pflegekasse des Pflegebedürftigen nachgewiesen werden.
Wichtig: Es sind maximal 40h/Monat bei max. 10€/h möglich. -> Also Verdienst max. 400€/Monat*: Bei Fachkräften kann es auch abweichen. *Pandemiebedingt können andere Regelungen gelten.
Eingehende Infos (auch zu Kursen u. v. m. ) können unter www.nachbarschaftshilfe-sachsen.de eingeholt werden.
Zu 3.
Verhinderungspflege:
Diese können Pflegepersonen (= im Pflegegutachten des MD Sachsen vermerkte Pflegende ) in Anspruch nehmen, die einen zu Pflegenden mit Pflegegrad 2-5 pflegen. Verhinderungspflege kann dann genutzt werden, wenn der/die Pflegeperson bereits länger als ½ Jahr gepflegt hat und der/die Pflegeperson an der Pflege gehindert ist: z.B.: wegen Friseurtermin, Arztbesuchen, Besuch bei Freunden etc. Für die Verhinderungspflege stehen 1.612,-€ pro Jahr zur Verfügung, welche bei Nichtnutzung zum Jahresende verfallen.
Der Verhinderungspflegebetrag kann genutzt werden zur Bezahlung von Verhinderungspflege-personen: Freunde, Bekannte, Nachbarn, Pflegedienst. Es müssen statthafte Vergütungen, zum Bsp. vergleichbar mit der ortsüblichen Babysitter-Vergütung sein. Für Verwandte bis zum 2ten Grad kann man jedoch nur maximal den 1,5-fachen Satz des Pflegegeldes abrechnen. Wenn die Verhinderungspflege mehr als 8h pro Tag dauert, entfällt für diesen Tag die Hälfte des Pflegegeldes. Man kann Verhinderungspflege für maximal 6 Wochen im Jahr in Anspruch nehmen. Es ist möglich, bei unter 8 h die Leistungen stundenweise abzurechnen. Wird als Verhinderungsgrund „Urlaub“ angegeben, wird angenommen, dass dies den gesamten Tag (also über 8h) betrifft: das hälftige Pflegegeld wird für diesen Tag von der Pflegekasse einbehalten.
Wenn die Verhinderungspflege aufgebraucht ist, kann sie noch mit 806,-€ aus dem Budget der noch nicht in Anspruch genommenen Kurzzeitpflege (vgl. unten) aufgestockt werden. Dieser Betrag ist als Verhinderungspflege aber nur auf Antrag (Pflegekasse) nutzbar.
Verhinderungspflege muss vorab bei der Pflegekasse beantragt werden. Die Gelder der Verhinderungspflege können bis maximal 4 Jahre rückwirkend gegen Vorlage entsprechender Babysitter – Quittungen beantragt werden, sofern zu diesem Zeitpunkt der Pflegegrad bereits ein halbes Jahr Bestand hatte.
Zu. 4.
Kurzzeitpflege:
Diese können Pflegebedürftige bzw. ihre Pflegepersonen (Angehörige) bei Pflegegrad 2-5 nutzen. Gründe zur Nutzung können sein, dass eine häusliche Pflege für kurze Zeit (längstens 8 Wochen pro Jahr) nicht sichergestellt werden kann. (z.B. wegen Urlaub der Pflegeperson(en)). Die Leistung der Kurzzeitpflege muss von einer zugelassenen Einrichtung (meist Pflegeheime mit „Kurzzeitpflegebetten“) erbracht werden. Es ist ein Betrag von 1.774,-€ pro Jahr nutzbar. Dieser verfällt bei Nichtnutzung am 31.12. des Jahres. Wenn die Kurzzeitpflege aufgebraucht ist, kann (auf Antrag) die noch nicht in Anspruch genommene Verhinderungspflege vollumfänglich als Kurzzeitpflege eingesetzt werden. So sind dann bis 3.386,-€ möglich. Die Gelder sind nur tageweise abrechenbar und das Pflegegeld wird für die Zeit der Kurzzeitpflege um die Hälfte gekürzt.
Zu 5.
Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel:
Bis 40,-€ pro Monat werden für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel bei allen 5 Pflegegraden gewährt. Davon können: saugfähige Bettschutzeinlagen zum Einmalgebrauch, Fingerlinge für private Pflegepersonen, Einmalhandschuhe, Mundschutz (offiziell nur medizinische Masken, kein FFP2), Schutzschürzen, Desinfektionsmittel für Flächen und Hände und Einmallätzchen bezogen werden. Man sollte sich nicht von der Apotheke/Sanitätshaus dazu überreden lassen, andere Produkte als die oben Genannten für diesen Betrag zu erwerben. Mittels Kaufbeleg rechnet man mit der Pflegekasse ab.
Ich möchte in diesem Zusammenhang herzlich den Mitarbeiter_Innen der Beratungsstelle SüdLicht vom Kinderhospiz Bärenherz danken, ohne deren Infomaterialien ich diese Informationen nicht so ausführlich hätte aufschreiben können. Sicher sind nicht alle Sachverhalte in der notwendigen Ausführlichkeit aufgeführt. Diese können aber grundlegend bei der Pflegekasse erfragt werden.
Gern können Sie sich auch selbst an die Beratungsstelle SüdLicht unter suedlicht-leipzig@baerenherz.de oder Tel.: 0341 – 30 690 931 wenden.
Sibylle Ringl