Seit 25 Jahren gibt es in Leipzig einen Stadtelternrat. Das Gremium ist Ansprechpartner für die Eltern schulpflichtiger Kinder, der Stadtverwaltung, der Bildungsagentur und vieler anderer Organisationen die an Schule beteiligt sind. Die ehrenamtliche Mitwirkung hatte über die Jahre viele Namen. Doch was war deren Motivation dahinter? In loser Folge führt der Stadtelternrat Interviews mit Elternsprechern, die ihre Freizeit zum Wohle anderer Kinder opferten.
Heike Fleckenstein
stellvertretende Vorsitzende des Stadtelternrat von 2013 bis 2015
Der Steckbrief zu Person
- gestandene Frau, verheiratet, sieben Kinder, davon noch drei zu Hause und ein Bereitschaftspflegekind.
- seit 20 Jahren Leipzigerin mit kurzer Unterbrechung in Aschaffenburg. Sie kennt die bayrische Schule und das sächsische Schulsystem noch besser.
Wie lange sind Sie schon Elternsprecher und wie viele Schulen kennen Sie durch Ihre Kinder hautnah?
Bevor sie antwortet, muss sie erst mal sie an in Gedanken zählen.
„Seit neun Jahren bin ich damit unterwegs. Zwei Grundschulen habe ich hinter mir, dann das Kepler Gymnasium und jetzt die Sportoberschule und das Sportgymnasium. Beim zweiten Mal an einer Grundschule bin ich zum Elternvertreter gewählt worden und am Kepler-Gymnasium zum stellvertretenden Klassensprecher. An der Sportoberschule bin ich schon seit fünf Jahren Vorsitzende und bisher ist kein Ende in Sicht. Für drei Jahre könnte ich noch gewählt werden, wenn der Elternrat es will.“
Sie lächelt dazu und fährt fort:
„Vier Jahre war ich auch im Stadtelternrat. Die Hälfte davon als stellvertretende Vorsitzende und im letzten Jahr mit Linda Polenz zusammen verantwortlich für den Arbeitskreis Grundschule und die andere Hälfte als stellvertretende Vorsitzende unter Andreas Geißler“
Was hat Sie motiviert Elternsprecher zu werden?
Wie kam es dazu, dass Sie mitreden wollten?
„Tja, das ist eine gute Frage. Bei meinen großen Jung´s hatte ich mich rausgehalten. Aber als die Zwillinge in die LRS Klasse kamen, änderte sich das. Ich hatte mich wählen lassen. Nicht unbedingt um die Eltern zu unterstützen, sondern für die Schüler. Die Lehrer waren fantastisch an der Schule. Die Eltern kamen jedoch kaum zu den Elternabenden. Wenn von den 20 Kindern vier Eltern kamen, war das schon ein Erfolg.
Ich bin angetreten um die Elternabende auf Vordermann zu bringen.
Und ganz ehrlich, bis dahin wusste ich nicht mal das es Elternvertretung an Schule gibt. Die Zusammenarbeit mit der Schulleiterin der Wilhelm-Wander-Schule war hervorragend. Sie wollte die Mitarbeit der Eltern haben.
An der Sportoberschule traf ich auf eine ähnliche Anfangssituation. Den Elternrat gab es nur auf dem Papier.“
Warum hatten sich die Eltern dann wählen lassen?
„Das habe ich mich auch gefragt. Ich hab die Arbeit dann halt gemacht und gut ist es.“
Das fünfte Rad am Wagen oder mit am Steuer, wo sehen Sie Eltern in den öffentlichen Schulen?
Braucht es Elternvertreter eigentlich an einer Schule?
„Elternarbeit braucht man an den Schulen, ohne Frage. Elternarbeit sehe ich auch darin, die Lehrer zu unterstützen, um Eltern und Lehrer zusammenzubringen. Die Lehrer bekommen immer die Prügel ab. Hier Verständigung und Verständnis zu bewirken – Eltern, schaut mal auf eure Kinder es liegt nicht immer nur an den Lehrern, Einsicht bei den Eltern zu erzielen, dass auch das eigene Kind nicht durch die rosarote Brille zu sehen ist – das ist mein Anliegen.
Aber auch die Schüler zu unterstützen in ihrem Anliegen Lernerfolge zu erzielen. Was kann getan werden, wenn Lehrer an den Schulen fehlen. Was muss getan werden, dass Schüler und Lehrer sich verständigen können. Wie kann ich als Schüler mein „Recht“ durchsetzen. Was ist, wenn der Lehrer doch mal nicht recht hat. Es gibt viele Gründe für Elternarbeit an Schulen, doch nur auf die Lehrer zu sehen, was diese verkehrt oder nicht machen, ist sicher nicht der Hauptgrund für Elternarbeit.
Die Wirkung von Elternarbeit ist eher von der Zusammenarbeit mit der Schulleitung abhängig. Als es in der Grundschule zu einem Schuleiterwechsel kam, war es erst mal schwieriger geworden, doch als die Schulleitung mitbekommen hatte, dass ich ihr nicht böses will, wurde das Verhältnis besser.“
Elternsprecher einer Schule und nun?
Was machst einen Elternsprecher an einer Schule aus? Welche Voraussetzungen sollte ein Elternvertreter mitbringen?
„Den Blick auf das Ganze, teamfähig, das muss man mitbringen. Als Elternvertreter kann ich nichts ausrichten, wenn die anderen Eltern nicht dahinter stehen. Nicht sein Kind sehen, sondern alle Kinder der Schule ist Voraussetzung, die Sicht auf die Schüler und auf die Schule im Ganzen haben.“
Wie hoch ist so der Zeitaufwand?
„Das geht eigentlich. Aller zwei Monate eine Versammlung. Auf die Woche runter gebrochen eine Stunde für einen Elternsprecher an der Schule.
Als Stellvertreter im Vorstand des Stadtelternrates waren es so zwei bis drei Stunden die Woche.
Dann kann natürlich sein, das es eine Zeit gibt, wo viel zu tun ist, weil zum Beispiel ein Abschlussfest zu organisieren ist. Als Mutter von drei Kinder mit Pflegekind ist das durchaus zu schaffen.“
Was sollte einen Elternsprecher aus Ihrer Sicht auszeichnen?
Und was sollte er eher nicht bringen?
„Er sollte nicht egoistisch sein. Sein Kind nicht in den Vordergrund stellen. Und er sollte kritikfähig sein.“
Warum sollte er auch kritikfähig sein?
„Auch ein Elternvertreter kann nicht immer alles richtig machen. So hatten wir an der Sportoberschule die Elternversammlungen immer ohne Schulleitung abgehalten. Doch als diese gern mit teilnehmen wollte, fanden dass die Elternvertreter gut und da sagte ich ok, wir versuchen es. Ich habe es nicht bereut.“
Wenn Sie sich eine Schulleitung „backen“ könnten, wie würde der aussehen?
Würde er sich von dem unterscheiden, was Sie aus Ihren Erfahrungen kennen?
Aus Sicht eines Elternsprechers, was macht eine gute Schulleitung aus?
„Kommen Sie an die Sportoberschule und Sie wissen es.“
Können Sie es bitte konkreter beschreiben?
„Herr Hempel unser Schulleiter sucht Elternarbeit. Er unterstützt die Elternarbeit. Er sucht mit nach Lösungsmöglichkeiten. Zum Beispiel in einigen Klassen sind Schüler, die durch ihr Verhalten den Unterricht beeinträchtigten. Einige Eltern waren sehr emotional damit umgegangen. Es wurde auf Initiative von Herrn Hempel dafür einen Trainingsraum geschaffen.
Da dieser erst im Januar entstanden ist, können wir heute natürlich noch nicht sagen ob es Früchte trägt, ein Versuch ist es allemal wert. Nach einer bestimmten Zeit wird diese Methode ausgewertet. Warum sitzen die Schüler darin? Können die Schüler reflektieren, warum sie in den Trainingsraum mussten? Bessert sich das Verhalten des Schülers und der Klasse? Wird das Verhalten der Klassen auf Grund des Trainingsraumes besser?“
Wie drückt sich die Unterstützung noch aus?
„Er nimmt sich Zeit für die Elternarbeit. Wenn wir ein Anliegen haben kommen sofort mehrere Terminvorschläge.
Schule funktioniert nur, wenn Schule und Eltern zusammenarbeiten und nicht gegeneinander.
Die Elternarbeit leidet nicht unbedingt unter der Schulleitung, sondern unter den Eltern.“ Hier schmunzelt Sie.
„Eltern sollten dem Schulpersonal Achtung zollen. Respektvoll mit einander umgehen ist Grundlage guter Zusammenarbeit. Wir haben zum Beispiel im letzten Jahr den Lehrertag an unserer Schule wieder aufleben lassen. Herr Hempel hatte uns einen kleinen Denkanstoß in der Elternsprechersitzung gegeben. In der gesamten Runde wurde darüber diskutiert, ob wir dieses möchten. Fazit war, ja die Lehrer bekommen für ihre stressige Arbeit viel zu wenig Anerkennung. Es war ein voller Erfolg, die Lehrer waren total überrascht, den Schülern hat es wahnsinnig Spaß bereitet, den Tag mit vorzubereiten und durchzuführen. Alle Schüler waren vereint in der Sache. Auch das kann Elternarbeit bewirken.“
Wie sehen Sie die aktuelle Situation beim Thema Bildungsempfehlung?
Mit welchen Einflüssen rechnen Sie auf das Schulsystem?
„Ich muss ehrlich sagen, ich glaube, wenn ein Lehrer, der jeden Tag das Kind sieht, durchaus eine Empfehlung abgeben kann, die dann stimmig ist.
Kinder können auch nach der Oberschule noch die Hochschulreife erwerben. Der Weg ist ja nicht verbaut. Und manchmal hilft es auch das Kind selber zu fragen.“
Aus eigener Erfahrung kann Sie das berichten:
Eine meiner Töchter ist innerhalb der Klasse sechs ans Gymnasium, sie hatte in der 4. Klasse die Zugangsvoraussetzung und auch die Bildungsempfehlung für das Gymnasium. Mir war es jedoch wichtig, dass meine Tochter einen guten Wechsel hinbekommt. Daher haben wir sie erst in die Sportoberschule eingeschult. Nach der 5. Klasse war ihr Zeugnis super. Sie hatte immer noch einen fantastischen Durchschnitt der für das Gymnasium mehr als ausreichend war. In der Klassenstufe sechs haben wir sie dann an das Gymnasium gehen lassen. Ich habe diesen Schritt bis heute nicht bereut.
Das Interview führte Petra Elias, Leipzig den 24. Februar 2017