„Tempo beibehalten und mit dieser Intensität weiterbauen“
Leipzigs neue Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus (Grüne)
im LVZ-Interview zu neuen Akzenten und alten Herausforderungen
Seit knapp vier Wochen hat Leipzig mit Vicki Felthaus (43/Grüne) eine neue Schulbürgermeisterin. Dabei muss sie das Bauprogramm in Kitas und Schulen fortsetzen. Welche Akzente die Mutter von zwei Grundschulkindern dabei setzen will, darüber sprach die LVZ mit ihr.
Sie sind seit Anfang Oktober im Amt. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Leipzig ist eine Stadt, in der ich gestalten kann. Hier bewegt sich viel. Das ist für mich Motivation, meine fachlichen Ziele und Vorstellungen umsetzen zu können. Und auch meine Chance.
Eltern wünschen sich vor allem mehr Investitionen in Kitas und Schulen, wie auch aus dem Familienkompass 2020 hervorgeht. Wie groß ist da Ihr Spielraum?
In Zeiten der Corona-Pandemie sind die öffentlichen Haushalte extrem belastet. Das trifft auf Kommune und Land gleichermaßen zu. Beim Schulhausbau ist essenziell wichtig, weiterhin Fördermittel vom Land zu bekommen. Für uns waren es zwei gute Jahre beim Bau und bei der Modernisierung von Schulen. Nun müssen wir das Tempo beibehalten und mit dieser Intensität weiterbauen. Das gelingt aber nur, wenn ausreichend Fördermittel bereitstehen.
Nun hat der Stadtrat ein riesiges Bauprogramm auf den Weg gebracht. Es geht bei Neubauten und Sanierungen sichtlich voran. Wo können Sie da als neue Schulbürgermeisterin noch Akzente setzen?
Wir müssen bis 2026/29 mehr als 750 Millionen Euro im unseren Schulen verbauen. Zum Beispiel sind das Schulzentrum in Grünau sowie der Campus in der Ihmelstraße auf den Weg gebracht. Die geplante Öffnung für
den Stadtteil halte ich dabei für einen wichtigen Schritt. Das will ich vorantreiben. Ebenso wie die Beteiligung der Menschen an diesen Prozessen. Wenn Schulen sich öffnen,
Menschen an diesen Prozessen. Wenn Schulen sich öffnen,
ist das für mich mehr als ein Akzent. Auch die Umsetzung der Gemeinschaftsschulen ist mir wichtig. Die rechtlichen Voraussetzungen für ein längeres gemeinsames Lernen sind in Sachsen geschaffen worden. Ich sehe es als meinen Auftrag, mich dafür einzusetzen und dies auch zu entwickeln. Denn dazu gehört vor allem auch, die Infrastruktur dafür vorzuhalten.
Sie sind Mutter von zwei Grundschulkindern. In was für eine Schule würden Sie diese gerne schicken?
Ich selbst habe noch eine Polytechnische Oberschule besucht, in der wir bis zur achten Klasse gemeinsam gelernt haben. Das habe ich damals genossen. Meine Kinder gehen auf eine Schule im Stadtteil, in dem sie groß werden. Das halte ich für wichtig. Ich bin sehr dafür, dass Schulen immer auch Quartiersschulen sind.
Eltern beklagen sich, dass ihre Kinder oft in viel zu vollen Räumen unterrichtet werden. Wie wollen Sie das ändern?
Das funktioniert nur, wenn wir unser Bauprogramm konsequent umsetzen können. Der Schulnetzplan stellt für jede einzelne Bildungsstätte dar, wie diese sich entwickelt, wie viele Klassen dort perspektivisch unterrichtet werden. Diesen Plan abzuarbeiten, ist unsere einzige Chance, für bessere Bedingungen in vielen Schulen zu sorgen. Viele sind derzeit überbelegt. Ich sehe es als Auftrag, hier voranzukommen. Fakt ist aber auch, dass Corona hier
einiges verzögert. Ich wünsche mir, dass wir alle gut und gesund durch den Winter kommen.
Was muss sich an der Schullandschaft ändern?
Ich schaue sehr auf Bildungsgerechtigkeit. So ist es von Stadtteil zu Stadtteil recht unterschiedlich, wie viele Kinder es aufs Gymnasium schaffen und wo die Chancen geringer sind. Da kann man schon von benachteiligten Stadtteilen sprechen. Etwa elf Prozent der Leipziger Jugendlichen verlassen die Schule ohne Abschluss. Das sind Zahlen, mit denen ich nicht zufrieden sein kann. Es ist auch wichtig, die Schulleitungen bei ihren Aufgaben zu unterstützen.
Sie sind Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Ihre Partei meint, dass mit Ihnen eine Qualitätsoffensive in der Kita- und Schullandschaft kommt. Wie könnte die aussehen?
In den vergangenen Jahren ging es oft um Quantität, um Kitas und Schulen auszubauen und den Rechtsanspruch auf einen Platz zu garantieren. Es ist natürlich wichtig, dies weiter zu tun. Die Frage ist aber, wie wir Angebote inhaltlich weiterentwickeln. Deshalb müssen wir mehr auf ihre Qualität achten, auch mehr präventiv arbeiten. Ein Stichwort sind dabei die Hilfen zur Erziehung. Und das heißt auch, in den Kindertagesstätten genau zu schauen, in welchem Stadtteil eine Kita steht und welche Angebote dort notwendig sind. Das kann in Grünau oder Paunsdorf anders sein als in anderen Stadtteilen.
Interview: Mathias Orbeck
(Bild: KER Vorsitzende Nancy Hochstein mit Vicki Felthaus vom 09.10.20)