Ist da was zu viel an der Berufs- und Studienorientierung in Schule? – Ein Kommentar

Die Berufs- und Studienorientierung ist mittlerweile fest in Leipziger Oberschulen verankert. Berufsorientierungslehrer sind die Netzwerker in der Schule. Neben ihren Unterrichtsfächern halten sie Kontakt zur Agentur für Arbeit und zu Unternehmen. Sie werden, sofern gewünscht, unterstützt von Praxisberatern und Berufseinstiegsberatern. Während die beiden Berater den ganzen Schultag die Schüler betreuen können, steht dem Berufsorientierungslehrer nur begrenzt Zeit zur Verführung. Zwei Stunden pro Woche können sie aus dem Ergänzungsbereich für die Organisation in Anspruch nehmen, sofern die Schule in diesen Bereich noch Stunden vergeben kann. Sie erstellen auch das Konzept zur Berufs- und Studienorientierung der Schule. Dieses beschreibt, welche Berufsorientierungsmaßnahmen, in welcher Klassenstufe, mit welcher Bandbreite durchgeführt werden. Jede weiterführende Schule ist verpflichtet, ein Konzept zu erstellen und dies den Schülern und Eltern zugänglich zu machen.

Nicht selten hört man Stimmen aus der Lehrerschaft, die stöhnen, weil es so vielfältige Aufgaben und Absprachen zu machen gibt. Doch merken sie wirklich zu recht an, dass Eltern sich nicht an der Suche nach dem Ausbildungsplatz beteiligen müssten? Das in dem Konzept die Lasten unfair verteilt seien? „Eltern bekommen hier ein staatlich finanziertes Sorglospaket“, kritisiert ein Leipziger Oberschullehrer, der nicht genannt werden möchte.

Selbst aus den verschiedenen Arbeitskreisen zur Berufs-und Studienorientierung hört man von einigen Akteuren, es würde viel zu viele Angebote geben. Die Eltern würden hier aus der Pflicht genommen.

Haben diese Stimmen recht? Werden hier Eltern aus der Verantwortung entlassen, den richtigen Bildungsweg für ihre Jugendlichen zu finden?

Die Vorsitzende des Stadtelternrates Petra Elias sagt: „Nein“. Sie bitte die Akteure sich daran zu erinnern, warum die Berufs-und Studienorientierung in den Schulen verankert wurde. „Zum einen ist die schulische Ausbildung kein Selbstzweck“ führt sie aus. „Sie ist mit dem Ziel verbunden, eine selbstständige Lebensführung und ein ebensolches Einkommen zu ermöglichen. Jugendliche optimal ins Berufsleben zu führen, ist auch ein  Kostenfaktor. Nicht nur Studenten brechen ihr Studium ab oder wechseln. Die Kosten dafür muss dann die Gemeinschaft tragen. Jugendliche bei der Berufswahl zu unterstützen ist gut investiertes Geld. Denn das Unternehmen und Ausbildungswillige zusammenfinden, ist keine Selbstverständlichkeit. Dazu braucht professionelle Unterstützung.“

Auf einen weiteren Aspekt geht Prof. Dr. Klaus Hurrelmann in seinem Vortrag  „Was erwarten Jugendliche vom Berufsleben?“ ein:

„Die Eltern haben heute eine Schlüsselrolle bei der Berufsorientierung. Sie sind die Fürsorge für ihre Kinder gewohnt, sie sind die Vertrauten in allen wichtigen Entscheidungen der Vergangenheit gewesen, und sie sind es nun auch bei Entscheidungen über die Zukunft.

Die junge Generation hat eine enge Verbindung zu ihren Eltern. Mutter und Vater fungieren für sie als soziale Modelle für die Lebensgestaltung, von Konflikten zwischen den Generationen ist selten die Rede. Nach der Shell Jugendstudie fühlt sich nur die Hälfte der befragten jungen Leute gut über die beruflichen Chancen informiert und sieht sich gerüstet, die Berufswahl kompetent vorzubereiten und durchzustehen. Ein Fünftel ist ratlos und überfordert. Viele klagen über ein Defizit an systematischer Aufklärung und Information, vor allem aus dem schulischen Bereich, in dem sie sich durch die Lehrkräfte und durch kooperierende Fachleute der Berufsberatung viel mehr professionelle Beratung und Unterstützung wünschen als sie heute tatsächlich erhalten.
Die Konsequenz aus den Unsicherheiten und Irritationen ist: Einen für die jungen Leute zentralen Teil der Information und Aufklärung leisten deren eigene Eltern. Die Mütter und Väter bemühen sich offenbar sehr erfolgreich, ihre Kinder auf die Besetzung künftiger Arbeitsplätze vorzubereiten. Laufen aber sehr schnelle und heftige berufliche Modernisierungsprozesse ab, und es kommt zu neuartigen beruflichen Anforderungen – und beides ist zweifellos seit zehn Jahren der Fall gewesen – dann kann die Vorabinformation durch die Eltern natürlich nicht mehr ausreichend sein. Weil die Anforderungen an komplexe Fähigkeiten gestiegen sind, sind möglicherweise auch die im Vergleich niedrigeren Qualifikationsstufen der Eltern nicht mehr ausreichend, um ihre eigenen Kinder gut vorzubereiten.

Deshalb ist den Forderungen der Jugendlichen und ihrer Eltern voll zuzustimmen: Die Berufsvorbereitung gehört zu einem viel größeren Ausmaß in professionelle Hände, als das gegenwärtig der Fall ist.“

 

Beitrag von Petra Elias