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Das Grußwort des Kreiselternrates Leipzig zum 21.09.2022

Bildung ist der Anfang von und der Schlüssel zu allem! 

Bildung beginnt mit dem ersten Atemzug, wird vermittelt durch Erfahrung, Nachahmung und dem zugewandten Austausch in der Familie und wird im Weiteren ergänzt und befördert durch professionelle Bildungsangebote im Vorschul-, Schul- und Hochschulbereich.

Bildung ist das zentrale Menschen- und Kinderrecht. Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Angemessenheit und Adaptierbarkeit sind wesentliche Säulen und Grundvoraussetzung für gelingende Bildung und obliegen der Verantwortlichkeit des Staates.

Bildung diskriminierungsfrei und gerecht verteilt für alle Kinder anzubieten, muss der zentrale gesellschaftliche Anspruch sein. Jedes Kind ist ein Unikat und die sozialen Rahmenbedingungen von Familien, Stadtteilen und Regionen sind nicht gleich. Bildungspolitik muss soziale Benachteiligung ausgleichen, die Schwächeren unterstützen und fördern und die Starken fordern und auf ihre Kraft vertrauen. Bildungspolitik muss Chancen für alle eröffnen und Kinder stärken, unabhängig von Ihrer Herkunft, ihrem Wohnort oder Ihrer sozialen Stellung.

Bildung ist keine Dienstleistung, die allein mit Geld erkauft oder mit Technik sichergestellt werden kann. Gute Bildung kann nur gelingen durch die engagierte Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ergänzt durch Unterstützungssystemen in Schulen und im Zusammenspiel mit Eltern und Kindern. Die gebotenen Chancen annehmen und den auch steinigen Weg zu Ende gehen, muss letztlich jedes Kind selbst, doch wir als Gesellschaft müssen sicherstellen, dass der Weg bereitet und die Chancen für alle Kinder angeboten werden.

Dies verpflichtet zu einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung! Gemessen am OECD-Durchschnitt ist der Anteil der Bildungsausgaben in Prozent am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland unterdurchschnittlich und liegt in Europa hinter Statten wie Estland oder Zypern. Sachsen als Vorzeigekandidat für Bildung in Deutschland ist hier keine Ausnahme. Hinzu kommt in Sachsen ein unterdurchschnittliches Betreuungsverhältnis in Kindergärten, Grundschulen und der Sekundarstufe 1. Berücksichtigt man zudem, dass in Sachsen der Anteil der 50-Jährigen oder Älteren Lehrkräfte mit 77% deutschlandweit Spitze ist bei steigenden Schülerzahlen in z.B. Leipzig, erkennt sofort man die immense Herausforderung, die vor uns liegt. Dass Sachsens Schülerinnen und Schüler dennoch Spitze sind, zeigt wie qualitativ herausragend die Leistung unserer Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen noch ist. Oftmals geht dies jedoch auf Kosten der Substanz und zehrt an den Kräften bis hin zum Burnout.

Der Kreiselternrat Leipzig hat auf diese Herausforderung in seinen Pressemitteilungen vom 21.12.2021, 05.02.2022 und 24.03.2022 bereits aufmerksam gemacht. Die Herausforderungen in Leipzig sind bekannt:

• Wir unterrichten in großen Klassen; Bei Klassengrößen von 28 Kindern ist eine gezielte, individuelle und ausgewogene pädagogische Arbeit von einer Lehrkraft allein nicht zu leisten

• Der Lehrermangel ist die zentrale Herausforderung für gelingende Bildung. Wir haben keinerlei Personalpuffer bei Krankheit oder für Vertretung; Es fallen in Größenordnungen Kernfächer weg z.B. in Oberschulen

• Lehrer sind oft auf sich allein gestellt, anstatt in multiprofessionellen Teams zu arbeiten

• Personalmangel an Schulen; von fehlenden Sozialarbeiter, Sekretärinnen und Sekretären bis hin zu einem Mangel an IT-Support

• Steigende Schülerzahlen; bis zu 5000 zusätzliche Schulplätze bis 2030 und damit verbunden bis zu 30 neue Schulen [6]

• Teilweise sind die Klassenräume und Gebäude in maroden und in einem schlechten Ausstattungszustand

• Ein zunehmender Bedarf inklusiver Beschulung bzw. der Integration von Kindern mit erhöhtem Betreuungsbedarf. Die Kommunen geben hier erhebliche Summen für Schulbegleiter aus, um den Status quo zu erhalten jedoch ohne pädagogische Perspektive und Aussicht auf Besserung

Hinzu kommen aktuelle Verwerfungen, die die Herausforderungen verschärfen:

• Integration geflüchteter Kinder in viel zu wenigen DAZ (Deutsch als Zweitsprache) Klassen; Die Kinder haben ein Anrecht auf angemessene Unterstützung und Begleitung bis sie die Fähigkeiten für den Regelunterricht haben

• Zusätzliche Aufnahme geflüchteter Kinder aus der Ukraine; Es fehlt an Konzepten, Personal und psychologischer Betreuung [7]

• Schule in sozialen Brennpunkten, in denen dringend ein Reduzierung der Klassengrößen, eine Aufstockung der Lehreranzahl und die Bereitstellung von Unterstützungsangebote in ausreichender Menge geboten ist, um Lehrkräfte nicht zu verbrennen und gezielt Bildungsgerechtigkeit überhaupt zu ermöglichen

  • Die nach wie vor nicht bewältigte Pandemie verdeutlichte dramatisch die herausragende Bedeutung von moderner, individueller Bildung sowie die sozialintegrative, begleitende und erzieherische Funktion unserer Schulen; Schulschließungen führten zu pädagogischen, psychologischen und sozialen Verwerfungen und verschärfte die Bildungsungerechtigkeit massiv.

Nur ein Bruchteil dieser Herausforderungen lässt sich mit Geld allein lösen. Nichtsdestotrotz ist eine hinreichende finanzielle Ausstattung die Grundvoraussetzung gelingender Bildung. Ebenso wichtig jedoch ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Schulleitungen und Lehrkräften, damit diese ihre eigentliche pädagogische Arbeit mit Herzblut, Energie und Begeisterung ausfüllen können. Entlastung, Unterstützung und Wertschätzung sind unerlässlich. Durch Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufes sowie einer Verbesserung und zielgerichtetere Ausbildung muss es uns gelingen junge Menschen für diesen Beruf zu gewinnen. Auch eine offene Diskussion über den gesellschaftlichen Wert und die herausragende Bedeutung sozialer Arbeit ist aus unserer Sicht unerlässlich und längst geboten.

Wir fordern daher:

• Absolute Priorisierung der Bildung vor allen anderen Ausgaben; Anheben der Ausgaben für Bildung auf mindesten OECD Schnitt

• Kleinere Klassen und gesonderte Berücksichtigung von Kindern mit inklusiven oder sonderpädagogischem Förderbedarf

• Unterrichtsversorgung von mind. 110% sowie bessere Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte; Wir unterstützen nachdrücklich den Appell der GEW Sachsen „Schulen in Not“ und die Forderung nach einem Sofortprogramm 

• Eine Reform der Lehrerausbildung (bzw. Studiums); praxisnäher, weniger Hürden, mehr Anreize, Einbeziehen von Förder- und Inklusionsunterricht, gezielte Förderung von Mangelfächern

• Schulsozialarbeit an jeder Schule

• multiprofessionelle Teams, Ergotherapeuten, Psychologen, Physiotherapeuten in Schulen

• Gut ausgestattete Klassenzimmer und Gebäude, hinreichend Sport- und Schwimmhallen

• Einen langfristigen Plan für Digitalisierung und Medienkompetenz mit klaren Zielsetzungen, Vorgaben und Evaluierungen

Bildung emanzipiert, stiftet Identität, befördert Toleranz und ermächtigt Kinder selbstständig zu handeln und zu entscheiden. Bildung ist die Voraussetzung für eine demokratische und in sich ausgeglichene Gesellschaft, in welcher Gegensätzlichkeiten offen diskutiert und Kompromisse ausgehandelt werden können.

Jeder in Bildung investierte Euro, der es ermöglicht, Kinder für ihr eigenes Leben angemessen vorzubereiten und der gute Voraussetzungen schafft, wird später gespart an Aufwendungen um soziale Verwerfungen und Missstände zu reparieren. Werden Kinder unzureichend gebildet und schlecht ausgestattet ins Leben geworfen, fehlen bereits die Grundlagen um deren Kinder wiederum gut vorzubereiten und wir befinden uns in einem Teufelskreis aus sozialer Abwärtsspirale und enger Korrelation von Herkunft und Bildung.

Eine erfolgreiche und gute Zukunft für unsere Gesellschaft, die die Krisen unserer Zeit überwindet, hängt ganz wesentlich von unseren Kindern ab. Wir haben der nächsten Generation viele Hindernisse aufgebaut, lassen sie uns gemeinsam in einer politischen und gesellschaftlichen Kraftanstrengung wenigstens dafür Sorge tragen, dass unsere Kinder die Bildung und das Handwerkszeug bekommen diese auch zu überwinden!

TEXT : JAN ZIPPEL, VORSITZENDER DES AK GRUNDSCHULEN