Lehrkräfte haben in Deutschland die gesetzliche Pflicht, Schüler*innen demokratische Werte wie Menschenrechte und Toleranz zu vermitteln – sie müssen nicht politisch neutral sein. Doch dieser Irrglaube hält sich hartnäckig. Ein Faktencheck.
Link zur Quelle:
https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/lehrkraefte-muessen-nicht-neutral-sein
Link zum Beutelsbacher Konsens:
https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51310/beutelsbacher-konsens/
Link zum gemeinsamen Aufruf von GEW, LandesSchülerRat Sachsen (LSR) und LandesElternRat Sachsen (LER):
https://ler-sachsen.de/aktuelles/gemeinsamer-wahlaufruf-von-gew-lsr-und-ler/
Ein Irrglaube hält sich hartnäckig in Debatten rund um die Themen im Klassenzimmer: politische Neutralität. Viele rechte Influencer*innen versuchen in den sozialen Medien immer wieder über ein für Lehrerinnen und Lehrer vermeintlich geltendes Gebot der Neutralität, die kritische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus im Unterricht zu verhindern. Dabei müssen Lehrkräfte gar nicht politisch neutral sein – im Gegenteil.
„Es ist ihre (…) Aufgabe, Schüler*innen demokratische Werte wie Menschenrechte und Toleranz zu vermitteln.“ (Andreas Keller)
„Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland müssen nicht politisch neutral sein. Es ist ihre durch das Grundgesetz und die Landesschulgesetze festgelegte Aufgabe, Schüler*innen demokratische Werte wie Menschenrechte und Toleranz zu vermitteln“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende der GEW, Andreas Keller.
Eine strikte Neutralität könne wichtige Diskussionen verhindern und die Bildung der Schüler*innen beeinträchtigen, da politische Themen zur Entwicklung der Schüler*innen beitragen, erklärt der GEW-Vize. „Es ist daher entscheidend, dass Lehrkräfte in der Demokratieerziehung politische Werte vermitteln, um Schüler*innen auf eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft vorzubereiten.“
Demokratieerziehung als Gebot #
Die Demokratieerziehung ist in den Landesschulgesetzen aller 16 Bundesländer in Deutschland fest verankert. Diese Gesetze verpflichten die Schulen, dass Lehrkräfte im Unterricht demokratische Werte wie Menschenrechte, Toleranz, Meinungsfreiheit und politische Partizipation vermitteln müssen.
Die Demokratieerziehung ist ein zentraler Bestandteil des Bildungsauftrags des Staates und zielt darauf ab, Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen heranzubilden, die sich aktiv in die Gesellschaft einbringen können. Durch die Verankerung der Demokratieerziehung in den Landesschulgesetzen wird sichergestellt, dass Schulen einen Beitrag zur Stärkung der demokratischen Grundwerte leisten und Schüler*innen auf eine aktive Teilhabe am demokratischen Leben vorbereiten.
„Die AfD ist eine Partei mit verfassungsfeindlichen Tendenzen. Das dürfen und sollen Lehrerinnen und Lehrer auch im Klassenraum so sagen.“ (Maike Finnern)
Wenn es in der Schule um politische Konflikte geht, müssen sich Lehrkräfte also nicht neutral verhalten. Gerade bei schwierigen Themen ist es wichtig, alle Perspektiven zu beleuchten, gleichzeitig aber eine klare Haltung gegen Antisemitismus und Rassismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Äußerungen zu zeigen. Das gilt auch für die Thematisierung der AfD im Unterricht. Maike Finnern, die Vorsitzende der GEW, hatte Lehrkräfte im Interview mit der Stuttgarter Zeitung dazu aufgerufen, sich mit der AfD im Unterricht zu beschäftigen. „Die AfD ist eine Partei mit verfassungsfeindlichen Tendenzen. Das dürfen und sollen Lehrerinnen und Lehrer auch im Klassenraum so sagen“, sagte Finnern. „Am besten tun sie das, indem sie konkrete Aussagen und Vorgänge analysieren und mit den Schülerinnen und Schülern besprechen.“
„Demokratie braucht politische Bildung“ #
Das hat der Beutelsbacher Konsens damit zu tun #
Demokratiebildung ist zentraler Bestandteil des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Die Landesschulgesetze beschreiben die Ziele. Lehrkräfte sollen demokratische Werte wie Würde und Gleichheit aller Menschen, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität vermitteln.
Wenn es in der Schule um politische Bildung geht, müssen sich Lehrkräfte nicht neutral verhalten. Es ist wichtig, verschiedene Blickwinkel zu beleuchten. Lehrkräfte sollen auf Basis des Grundgesetzes eine klare Haltung zum Beispiel gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Aussagen zeigen.
Oft fällt das Stichwort ’Beutelsbacher Konsens’. Er ist ein in den 1970er-Jahren formulierter Minimalkonsens für den Politikunterricht in Deutschland. Er darf nicht mit dem parteipolitischen Neutralitätsgebot des Staates verwechselt werden. Der Konsens formuliert drei zentrale didaktische Prinzipien politischer Bildung: das Überwältigungs- bzw. Indoktrinationsverbot, das Kontroversitätsgebot sowie das Ziel, dass Schüler*innen zur politischen Teilhabe befähigt werden sollen. Lehrkräfte dürfen ihre eigene politische Meinung ausdrücken, diese aber nicht als allgemeingültig darstellen. Kontroverse Themen müssen multiperspektivisch behandelt werden.