Aufzeichnung der Plenardebatte:
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Antrag der Fraktion SPD
Als Antragstellerin hat zunächst die SPD-Fraktion das Wort.
Es folgen CDU, AfD, DIE LINKE, BÜNDNIS-GRÜNE, fraktionslose Abgeordnete – kein Redebedarf – und die Staatsregierung, wenn gewünscht.
Juliane Pfeil, SPD:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sechs Jahre Landesprogramm Schulsozialarbeit – aber eigentlich haben wir damit schon ein wenig eher begonnen.
Ich möchte Sie kurz mitnehmen, wie das gesamte Thema Schulsozialarbeit begonnen hat: Für uns als SPD war es bereits im Jahr 2011, denn seitdem fordern wir ein Landesprogramm Schulsozialarbeit. Bis 2014 wurde das Pro-gramm über Mittel des Europäischen Sozialfonds finanziert und 2014 wurden erstmals 4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die laufenden Projekte über Landesmittel zu finanzieren. Bis dahin blieb Schulsozialarbeit in Sachsen ein Flickenteppich.
Anfang 2017 wurde das Landesprogramm Schulsozialarbeit auf den Weg gebracht. Es wurden verlässliche Strukturen geschaffen und damals 15 Millionen Euro für Kinder und Jugendliche investiert. Damit wurde Schulsozialarbeit an Grundschulen, Gymnasien, Berufsschulen sowie Förderschulen ermöglicht. Mit der Änderung des Schulgesetzes 2017 wurde an jeder öffentlichen Oberschule mindestens eine Schulsozialarbeiterin bzw. ein Schulsozialarbeiter festgeschrieben und das Programm mit weiteren 15 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro aufgestockt. Das war in der letzten Legislatur das größte Investitionspaket im sozialpolitischen Raum.
Warum haben wir das gemacht? – Jedes Kind verdient die gleichen Zukunftschancen, aber leider kommen diese nicht von allein. Schülerinnen und Schüler kommen aus unter-schiedlichen Familien und tragen verschiedene Probleme, Sorgen und Zukunftsfragen mit sich herum. Schulsozialarbeiter(innen) unterstützen diese Kinder. Sie lösen nicht ihre Probleme, aber gemeinsam mit ihnen können sie die Probleme lösen. Sie verbessern das Schulklima und sie helfen, die gleichen Chancen für alle zu ermöglichen.
Wir möchten die Schulsozialarbeit weiter ausbauen und die Arbeitsbedingungen der Sozialarbeiter(innen) stetig ver-bessern. Darauf liegt auch unser Schwerpunkt in der aktuellen Haushaltverhandlung.
Wenn wir uns anschauen, welche Berichte die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter uns vor allem in den letzten Monaten nach Corona geliefert haben, so waren diese erschreckend. Wir haben oftmals gehört, dass psychische Probleme zunehmend eine unglaublich große Rolle spielen. Suizidfragen und Selbstverletzungen spielen eine Rolle. Das sind erschreckende Berichte, aber ich bin froh über sie. Nicht über deren Inhalt, aber sie zeigen, dass diese Kinder gesehen werden und dass jeder Schulsozialarbeiter an der richten Stelle ist; denn er macht die Kinder und die Probleme sichtbar und zeigt sie uns. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen. Wir müssen ihnen genau zuhören und sie stärken, indem sie das Bindeglied zwischen Eltern, Schule, sozialer Einrichtung und Kindern werden.
Dafür haben wir das Programm auf den Weg gebracht, und ich denke, wir können jeder Schulsozialarbeiterin und je-dem Schulsozialarbeiter in Sachsen dankbar sein, dass sie diese Kinder jeden Tag wieder sehen.
(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN, den BÜNDNISGRÜNEN und der Staatsregierung)
Heute Morgen habe ich mich gefreut, weil der Landesschülerrat eine Pressemitteilung genau zu diesem Programm veröffentlicht hat. Er bestärkt uns in dem, was wir tun. Dar-über können wir als Haus froh sein, dass die Schülerinnen und Schüler – in Vertretung des Landesschülerrates – dieses Programm als genauso wichtig ansehen wie wir. Denn sie als Schülerinnen und Schüler wissen ganz genau, welche komplexen Probleme tagtäglich auf sie zukommen. Das fängt an mit Problemen wegen Noten oder Lehrern, aber das endet eben auch mit dem, was ich gerade gesagt habe.
Ich denke, wir sind dabei auf dem richtigen Weg, und ich freue mich auch – es ist ja jetzt bekannt –, dass die Koalitionsfraktionen gemeinsam einen Änderungsantrag zum Haushalt stellen werden, um dieses wichtige Programm noch einmal aufzustocken und die Arbeit der Schulsozial-arbeiter weiter voranzubringen.
Ich glaube, wir müssen ganz eng mit ihnen im Kontakt bleiben. Wir müssen darüber sprechen, welche Probleme die Schülerinnen und Schüler haben und wie wir das in einem gesunden System Schule noch weiter etablieren können. Das wird unsere gemeinsame Aufgabe bleiben. Unser Ziel ist es nach wie vor, vor allem als SPD-Fraktion, dass es an jeder Schule in Sachsen einen Schulsozialarbeiter o-der eine Schulsozialarbeiterin geben muss. Das wird das Ziel sein. Wir sind auf dem Weg dorthin und ich freue mich, dass wir heute über dieses Thema diskutieren können.
Vielen Dank.
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Alexander Dierks, CDU:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Ich bin dankbar, dass wir heute über dieses Thema diskutieren können. Vieles von dem, was Juliane Pfeil gesagt hat, ist mir noch sehr präsent, weil ich mich erinnere, wie ich im Jahr 2014 in den Landtag gewählt wurde, zeitgleich in den Jugendhilfeausschuss kam und das Thema Schulsozialarbeit eines der ersten war, mit dem ich fachpolitisch betraut war. Es ist wirklich ein aus meiner Sicht sehr positives und gutes Beispiel dafür, wie Politik funktioniert: über eine harte Auseinandersetzung in der Sache auf politischer und fachpolitischer Ebene in engem Schulterschluss und Zusammenarbeit mit den betroffenen Fachkräften und Berei-chen und einer parallel laufenden gesellschaftlichen Debatte.
Ich erinnere mich noch gut, wie Schulsozialarbeit vor Jahren beleumundet war. Da hieß es immer: Bleibt mir mit der Schulsozialarbeit weg, weil Schulsozialarbeit ein Anzeichen von Problemen ist. Das heißt, wenn in einer Schule Schulsozialarbeit ist, dann gebe ich mein Kind besser nicht dorthin; denn das zeigt, dass an dieser Schule Probleme vorhanden sind. Das hat sich in den letzten Jahren wirklich komplett gedreht. Inzwischen ist Schulsozialarbeit ein Qualitätsfaktor und ein wesentlicher Partner von Schule geworden. Auch das ist nicht selbstverständlich.
Ich kann mich noch erinnern, dass das Verhältnis zwischen Schulsozialarbeitern und Lehrkräften zunächst eher reserviert war, und zwar wechselseitig. Daraus hat sich inzwischen eine fruchtbringende Partnerschaft für die Schulen, die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Eltern und die gesamte Jugendhilfelandschaft entwickelt. Schulsozialarbeit ist ein wichtiges Scharnier. Das zeigt sich auch in der Architektur dieses Landesprogramms Schulsozialarbeit. Als es aufgelegt wurde, gab es die aus meiner Sicht nicht ganz unberechtigte Sorge, dass es dann viel Schulsozialarbeit gibt, aber keine andere Jugendarbeit mehr vor Ort.
Wir haben von Anfang an das Programm so aufgelegt, dass von diesem Landesprogramm Schulsozialarbeit diejenigen profitieren, die gleichzeitig die Jugendpauschale in voller Höhe ausschöpfen denn wir brauchen die offene und mobile Jugendarbeit, weil wir – Juliane Pfeil hat es angesprochen – das Thema Suizidprävention und ganz zielgerichtete Programme für individuelle Problemlagen brauchen. Am Ende kann Schulsozialarbeit im positiven Sinne die Spinne im Netz sein, frei nach dem Prinzip, dass Jugendhilfe dort ansetzen muss, wo Jugendliche sind. Jugendliche sind in der Schule, und deshalb ist Schulsozialarbeit ein wesentlicher Partner für Schüler, Eltern und Lehrer an diesem zentralen Lebensort für junge Menschen.
Aus meiner Sicht ist es ein riesengroßer Erfolg, dass es in dieser schwierigen Zeit nicht erst mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit einher-gehenden Verwerfungen gelungen ist, dieses Programm weiter zu stärken, sondern, dass wir es auch über die schwierigen Corona-Jahre gebracht haben. Corona war sicherlich nicht der Auslöser für den Bedarf von Schulsozialarbeit, hat aber die Bedarfe verstärkt und noch einmal ein sehr deutliches Schlaglicht auf diesen Bedarf gelegt. Des-halb ist ein richtiges und ein wichtiges Signal, dass die Koalitionsfraktionen gemeinsam die Kraft gefunden haben, dieses Programm mit dem jetzt zu beratenden Doppelhaus-halt weiter zu stärken.
Ich kann nur unterstreichen, dass wir Schulsozialarbeit mit Blick auf die Bedarfslagen überall gut gebrauchen können. Sicherlich muss man priorisieren, das ist der zentrale Gegenstand von Politik. Die Mittel sind immer zu gering und man muss Schwerpunkte bilden. Aber es hieß lange: Macht die Schulsozialarbeit an den Oberschulen, dort sind die Probleme am größten. Ich glaube, wir müssen mit Jugend-hilfe, wenn sie erfolgreich sein soll, immer dort ansetzen, wo der Präventions- und Wirkungscharakter ist, und das ist dort, wo die Kleinsten sind, beispielsweise an der Grund-schule. Das kann aber auch an einem Gymnasium sein. Auch an einem Gymnasium gibt es individuelle Problem-lagen von Schülern. Auch dort haben die Schüler Sorgen und Beratungsbedarf. Auch an Gymnasien haben Eltern Probleme und Schwierigkeiten und Beratungsbedarf. Des-halb müssen wir das Ziel haben, dieses Programm immer weiter organisch sukzessive auszubauen, um das zu erreichen, woran uns allen gelegen ist: dass junge Menschen in diesem Land gleiche Chancen haben, dass junge Menschen in diesem Land ihres eigenen Glückes Schmied sein kön-nen. Das muss das zentrale Ziel von guter, präventiver Sozialpolitik und Jugendarbeit sein. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass es uns gelungen ist, in der letzten Legislatur-periode im engen Schulterschluss dieses Programm aufzulegen.
Ich möchte mit meinen letzten 10 Sekunden noch denjenigen danken, mit denen ich dieses Programm insbesondere verbinde. Das ist von unserer Seite Patrick Schreiber ge-wesen, der dem Sächsischen Landtag nicht mehr angehört, und von der SPD-Fraktion Henning Homann. Ihnen beiden ganz herzlichen Dank dafür, dass das gemeinsam möglich war und weiterhin möglich bleibt.
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Romy Penz, AfD:
Schule ist mehr als Unterricht. Sechs Jahre Landesprogramm Schulsozialarbeit sind ein Erfolgs-modell für Sachsen. Hier stellt sich mir jedoch folgende Frage:
Wie passt die Wortwahl „Erfolgsmodell“ in den Kontext Ihres Debattentitels? Der Begriff „Best Practice“, auch Erfolgsmodell oder Erfolgsrezept genannt, stammt aus der angloamerikanischen Betriebswirtschaftslehre und bezeichnet bewährte, optimale, vorbildliche Methoden, Praktiken und Vorgehensweisen in der Unternehmensführung.
Ich möchte einmal aus dem Evaluationsbericht zitieren: „Der dreimalige Wechsel der Förderkonditionen zwischen August 2017 und 2019 hat allerdings dazu geführt, dass in den ersten gut eineinhalb Jahren der Förderung sehr viel Unruhe vor Ort herrschte und von den Trägern der freien Jugendhilfe und den Jugendämtern ein sehr hoher Verwaltungsaufwand zu leisten war.“
(Sabine Friedel, SPD: Welches Jahr meinen Sie denn?)
– Ich denke, das wissen Sie, Frau Friedel. Das brauche ich Ihnen nicht zu beantworten.
Wer als Träger der freien Jugendhilfe von Beginn an gefördert wurde, musste innerhalb von 18 Monaten viermal An-träge stellen und für diese Zeit dreimal Fördermittel abrechnen. Die Jugendämter hatten analog viermal Förderbescheide zu erstellen und dreimal Verwendungsnachweise zu prüfen.
(Sabine Friedel, SPD: Das war früher!)
– Um noch einmal auf Sie einzugehen, Frau Friedel: Vor 2017 war es noch einer größerer Flickenteppich, wie Frau Pfeil schon erwähnte.
Damit passt das Wort „Erfolgsmodell“ schon mal nicht, und auch die Jahresbilanz dieses „Erfolges“ wird halbiert, wenn man noch weitere Kritikpunkte dieses Berichtes einbezieht, welche ich hier unmöglich alle aufzählen kann. Verschiedene Monitoringmodelle, die schwammigen Definitionen und Hinweise aus der sächsischen Fachempfehlung und die Angliederung der Jugendhilfe machen die Schulsozialarbeit für alle beteiligten Akteure leider nicht einfacher. Fakt ist aber: Aufgrund zahlreicher und nicht selten gravierender Probleme an nahezu allen Schulen und Schularten sind Schulleiter und Lehrer sehr froh, dass es die Sozialarbeit gibt.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Schulsozialarbeit bekämpft lediglich Symptome, die Wurzel wird nicht gegriffen. Deshalb wird der Ruf nach einem immer höheren Schlüssel für die Schulsozialarbeit nicht abreißen. Wenn wir die gesamt-gesellschaftlichen Probleme nicht lösen, wird uns die Schulsozialarbeit nicht retten. Eine Leistungsgesellschaft lebt von Fordern und nicht nur von Fördern. Es muss auch für Kinder und Jugendliche klare Grenzen und Regeln geben, die sie einhalten.
So wird sicherlich auch der Krankenstand der Lehrer reduziert und die Motivation der Lehrer außerordentlich erhöht. Solange Leute, die alle Regeln der Gesamtgemeinschaft missachten und zur Durchsetzung ihrer Ideologie ganz bewusst Sachbeschädigungen begehen und die Gefährdung von Menschenleben billigend in Kauf nehmen, solange zum Beispiel Klimakleber mit dem wohlwollenden Begriff „Aktivisten“ versehen werden, wird der Ansatz auf den Kopf gestellt.
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Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE:
Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte mich für die Debatte bedanken und finde es richtig, dass wir heute darüber sprechen, und zwar genau im Vorfeld – bzw. eigentlich sind wir mittendrin – der Haushaltsverhandlungen. Es ist richtig, nach sechs Jahren zu bilanzieren, und ich glaube, die Aktuelle Debatte taugt dazu.
Juliane Pfeil und Alexander Dierks haben schon sehr viel Richtiges gesagt, und darauf möchte ich gerne eingehen. Ja, wir sind seit Jahren diesbezüglich unterwegs, und auch wir fordern, dass es Schulsozialarbeit gibt. Ja – an der Stelle haben Sie uns mit im Boot –, wir sind auch der Meinung, dass es für alle allgemeinbildenden Schulen das Angebot der Schulsozialarbeit geben muss. Dabei müssen wir dann schauen, was die Zahlen gerade hergeben. Ja, es ist auch richtig zu sagen, dass sich das Geld, das wir für die Schulsozialarbeit verwenden, immens erhöht hat. Das ist absolut richtig. Trotz alledem bleibt eines: Es reicht leider noch nicht. Es ist unsere Aufgabe als Opposition, das mitzuteilen.
Ich möchte auf ein paar Zahlen hinweisen. Die erste Zahl ist, dass wir bis dato nur an einem Drittel aller allgemein-bildenden Schulen Schulsozialarbeit haben. Bei 1 500 Schulen in Sachsen sind es, glaube ich, 592 – Stand 2021 –, an denen Schulsozialarbeit stattfindet. Wir wissen auch, dass die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter im Schnitt ungefähr 500 Schülerinnen und Schüler betreuen. Das ist ein Wahnsinn – das muss ich einfach sagen –, weil die Probleme so immens sind, und spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie vielfältig sie gelagert sind.
Ich möchte gern formulieren, wofür Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter an den Schulen mittlerweile zuständig sind. Das sind Prävention, Konfliktbewältigung und die ganzen Schwierigkeiten zwischen Lehrkräften und Schüler(inne)n, zwischen Eltern und Schüler(inne)n, zwischen Schülerinnen und Schülern an sich usw. usf. Das ist das eine. Das andere ist, dass sie eine unglaubliche Projektarbeit leisten. Und Projektarbeit heißt: Sie betreuen AGs, sie sind unterwegs in der Berufsorientierung, sie sind unterwegs, was politische Bildung angeht, sie sind unterwegs und unterstützen Schüler(innen)räte, sie sind unterwegs in Fragen der grundsätzlichen Mitbestimmung an Schulen – und, und, und. Das sind alles Punkte, das ist ein ganz schöner Hammer und ganz schön viel. Wenn ich dann schaue und feststelle, dass sie im Schnitt für 500 Schülerinnen und Schüler zuständig sind, dann ist das eindeutig zu viel.
Der nächste Punkt ist: Wir haben es mit Schulsozialarbeiter(inne)n zu tun, die streckenweise gar nicht in Vollzeit beschäftigt sind. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Wir haben es mit Schulsozialarbeiter(inne)n zu tun, die zwischen Schulen wechseln müssen, die also ganze Land-kreise dem Grunde nach betreuen. Auch das ist ein wesentlicher Punkt.
Worauf will ich hinaus? Wir müssen es für alle Schularten durchdeklinieren. Ich kann mich daran erinnern, dass wir in den letzten Jahren hier im Hohen Hause Debatten hatten, in denen bestimmte Leute gesagt haben: Na ja, es ist schon richtig, dass wir das jetzt an den Oberschulen machen, aber an den Grundschulen, an den Gymnasien usw. brauchen wir das gar nicht so sehr, weil die Probleme dort nicht groß genug sind.
Deshalb herzlichen Dank, Alexander Dierks, dafür, dass Sie das hier noch mal festgestellt haben: Wir brauchen das überall. An der Sache kommen wir nicht mehr vorbei, weil die Schwierigkeiten und die Probleme überall vorhanden sind. Ich erinnere auch an das Positive, das Schulsozialarbeit leisten kann – nicht nur in der Prävention, sondern auch in sogenannten außerschulischen Angeboten. Das ist ganz wesentlich und muss an jeder Schule angeboten werden.
Trotzdem bleibt auch eines: Alles, was Förderrichtlinien angeht, müssen wir uns noch mal ganz sauber ansehen und vereinfachen, weil uns die Schulleitungen zurückmelden: Na ja, bis ich dann irgendwann Schulsozialarbeit an meiner Schule zur Verfügung habe – das ist ein Verwaltungsaufwand, der ist immens.
Das Nächste ist, dass wir auch schauen müssen, wie viel-fältig und wie attraktiv das Studium der Sozialen Arbeit grundsätzlich ist. Meiner Meinung nach sind bestimmte Studienplätze an den Hochschulen, die das anbieten, bis heute gar nicht besetzt. Das heißt also, wir müssen dort noch mal zu einer anderen Form der Attraktivität kommen und zu einem großen und lauten Ruf, der da lautet: Leute, wenn Ihr Lust darauf habt, studiert das doch bitte. Dann ist auch garantiert, dass ihr an unseren Schulen nicht nur unterkommt, sondern dass es dort auch eine große Form der Wertschätzung gibt.
Ja, das wird auch unser Vorschlag in den Haushaltsverhandlungen sein, dass es an jeder Schule stattfindet. Dar-über wird zu diskutieren sein, und ich weiß, dass es hier im Hohen Hause ganz sicher auch kritische Stimmen geben wird. Aber unsere Idee ist, zu überlegen, ob wir nicht Schulsozialarbeit trotz alledem auf eine andere Art und Weise an das Landesamt für Schule und Bildung ankoppeln und sagen könnten: Na ja, vielleicht wäre es der richtige Weg, es dem Landesamt zuzuweisen, damit dieses koordiniert. Wir sollten überlegen, ob das klug ist oder nicht.
Herzlichen Dank. Vielleicht noch mehr in einer zweiten Runde.
Danke schön.
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Kathleen Kuhfuß, BÜNDNISGRÜNE:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleg(inn)en! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir in Sachsen haben mit der Schulsozialarbeit ein echtes Erfolgsmodell. Wenn wir bundesweit schauen, sind wir einer der Spitzenreiter, was das Verhältnis von Schulen zu Schulsozialarbeitern angeht. Wir sind auf einem guten Weg, auch wenn – und das hat meine Vor-rednerin schon deutlich dargestellt – wir noch nicht fertig sind mit dem Weg.
Wir haben momentan ein Verhältnis von einem Schulsozialarbeiter auf ungefähr 620 Schüler(innen). Die Fachkriterien sagen: Ein Schulsozialarbeiter sollte auf 150 Schüler(innen) kommen. Es geht nicht darum, wie die AfD-Fraktion auf der rechten Seite ausgeführt hat, mehr erziehendes Personal an Schulen zu haben, sondern es geht darum, dass wir auch in Sachsen verstanden haben, dass Schule nicht mehr nur ein Lernort ist, sondern ein Lebens-ort geworden ist. Und an einem Lebensort spielt es nicht nur eine Rolle, dass man einen Lehrplan vermittelt bekommt, sondern an Lebensorten spielen Persönlichkeiten eine Rolle. An Lebensorten akzeptiert man, dass Persönlichkeiten auch mal straucheln. Jeder, der mal jung gewesen ist oder sich zumindest noch daran erinnern kann, weiß, dass es dabei nicht darum geht, Sachbeschädigung zu begehen oder seiner Aggressivität Ausdruck zu verleihen, sondern dass es Lebensfragen gibt, die man zwischen sechs und 18 Jahren hat und die geklärt werden müssen. Daran hat die Schulsozialarbeit einen ganz wichtigen Anteil.
Bei aller Wertschätzung – und die können Sie mir abnehmen –, die ich gegenüber Lehrkräften habe, weiß ich, dass Lehrkräfte mit den Themen, die Kinder und Jugendliche in Schulen mitbringen, häufig und auch schnell überfordert sind. Schauen wir uns Mobbing an, schauen wir uns Um-gang mit sozialen Medien an, schauen wir uns auch das Problem Mediensucht an, weil das Gehirn eines Zwölfjährigen eben manche Dinge nicht so gut verkraftet wie das Gehirn eines Dreißigjähren glaubt, es zu verkraften. Schauen wir uns das Thema Sexualaufklärung an, schauen wir uns das Thema Teenagerschwangerschaften an, schauen wir uns die Frage von Kindeswohl an, schauen wir uns verzweifelte Eltern an. Alles das sind Themen, die bei Schulsozialarbeiter(inne)n auf dem Tisch landen, und wir tun gut daran, wenn wir uns auch hier in diesem Haus weiter damit beschäftigen, wie wir das System Schulsozialarbeit und das System Schule gut zusammenbekommen, weil – auch wenn es ein Erfolgsmodell ist – wir hier bei Weitem noch nicht fertig sind.
Schule akzeptiert mittlerweile Schulsozialarbeit, aber Schule ist noch nicht zu 100 % an dem Punkt angekommen, zu sagen: Wir akzeptieren den Ansatz von Schulsozialarbeit.
Auch hier gehe ich gern noch mal auf meine Vorgängerin ein. Es ist eine sehr bewusste Entscheidung des Bundesgesetzgebers gewesen, zu sagen: Schulsozialarbeit ist Jugendhilfe. Jugendhilfe ist ein freiwilliges Angebot, nicht wie Schule; da sollte man pflichtgemäß hingehen. Schulsozialarbeit ist ein freiwilliges Angebot. Wir finanzieren Schulsozialarbeit über den Sozialhaushalt – übrigens unser größtes sozialpolitisches Projekt außerhalb des ganz strengen Pflichtenkanons –und das heißt auch: Schulsozialarbeit kann keine Kompensation für das System Schule darstellen und Unterrichtausfall kompensieren oder den Strafraum bewachen, in den alle die hingehen, die sich scheinbar gerade mal wieder nicht benommen haben im Unterricht, sondern Schulsozialarbeit ist ausschließlich den Schülerinnen und den Schülern verpflichtet und hat diesen zu dienen. Deshalb – bei allem Herzschmerz, den ich immer wieder bei dieser riesigen Summe habe, die wir quasi in das System Schule hineintragen – bin ich eine absolute Verfechterin dessen, dass es auch weiterhin bei der Jugendhilfe bleiben muss.
Wir sind aber noch nicht fertig, was deren Ausbau angeht. Alexander Dierks hat es so schön gesagt: Politik hat auch die Aufgabe, Prioritäten zu setzen. – Wenn wir uns diese Prioritäten anschauen, dann muss es uns allen wehtun, dass wir noch knapp 80 Standorte mit Förderschulen haben, an denen wir keine Schulsozialarbeit haben. Zumindest diese 80 Standorte müssen wir schnell mit Sozialarbeit bestückt bekommen, weil Förderschulen ganz andere Bedarfe haben.
Jetzt möchte ich keinem Gymnasiasten und keiner Gymnasiastin absprechen, dass sie Probleme haben, dass sie Dinge haben, über die sie sich gern entwickeln möchten, dass sie gern an Projekten teilhaben möchten. Aber das Thema Förderschule sollte uns ein Herzensanliegen sein, hier wirklich überall Schulsozialarbeit zu implementieren. Vielleicht müssen wir uns dabei als Land auch ein wenig über die Gebietskörperschaften stellen, weil sie das hätten machen können. Es ist nicht so, dass wir als Land hingehen und denen verbieten, das zu machen, sondern sie entscheiden das ja kommunalpolitisch im Landkreistag, wo sie das machen, und sie müssen noch ein wenig an dem Rädchen drehen und sagen: An jede Förderschule kommt Schulsozialarbeit, weil wir dort den Bedarf am allergrößten sehen.
Ich bedanke mich in meinen letzten 10 Sekunden noch bei den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern, die in der Corona-Zeit, die auch in ihrem Berufsfeld alles andere als ruhig und geordnet war, an der Seite von Schülerinnen und Schülern gestanden haben, für die Schul-schließungen und Homeschooling eine besondere Herausforderung waren, und bedanke mich bei der SPD für diese Debatte.
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Juliane Pfeil, SPD: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte noch einmal das Wort ergreifen und mich an dieser Stelle für die konstruktive Debatte bedanken. Denn es zeigt sich, dass wir, wenn sowohl die anderen Koalitionsfraktionen als auch DIE LINKE mit uns konstruktiv weiter darüber sprechen und das Programm immer weiterentwickeln möchten, an dieser Stelle etwas Gutes getan haben.
Ich kann mir schon vorstellen, warum der AfD-Fraktion die Debatte nicht gefällt. Denn was macht Schulsozialarbeit? Sie hilft jungen Menschen, selbstbestimmte Wesen in dieser Gesellschaft zu werden.
Wahrscheinlich ist das etwas, das die AfD nicht so gerne in dieser Gesellschaft sieht; aber genau dafür brauchen wir sie. Ich freue mich, dass wir so konstruktiv an dieser Stelle debattieren können, und hoffe, dass wir in den Haushalts-verhandlungen gemeinsam noch einmal etwas Gutes machen können.
Vielen Dank für die Debatte.
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Alexander Dierks, CDU:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Auch ich möchte mich herzlich für die Debatte bedanken, vor allem auch bei der Fraktion DIE LINKE. Ich glaube, wir haben es tatsächlich geschafft – mit Ausnahme einer Fraktion –, ein wichtiges sach- und fachpolitisches Thema angemessen miteinander zu diskutieren; denn nichts ist so gut, als dass es nicht verbessert, optimiert oder in irgendeiner Form an-gepasst werden könnte. Das ist unstreitig.
Ich bin froh, dass wir im Rahmen dieser Aktuellen Debatte die Gelegenheit hatten, noch einmal ein paar Punkte miteinander zu sammeln, die uns Richtschnur für die jetzigen Diskussionen zum Doppelhaushalt, aber auch für die Folgejahre sein können.
Ich möchte kurz auf den Debattenbeitrag von Frau Penz eingehen. Ich finde es wirklich erstaunlich, wie man es schafft, von Schulsozialarbeit zu sogenannten Klimaklebern zu kommen. Das überrascht mich ehrlicherweise weniger, genauso wenig, wie mich Ihre kognitiven Dissonanzen überraschen. Ich finde sie zwar erschreckend und durchaus bedenklich, aber sie überraschen mich nicht mehr; denn das hat ja nun gar nichts miteinander zu tun.
Ich kann mich daran erinnern, wie wir angefangen haben, über Schulsozialarbeit zu diskutieren. Dabei war häufig die Haltung – sicherlich auch ein Stück weit in meiner Partei –: Schulsozialarbeit soll das ausgleichen, was in Elternhäusern nicht geleistet wird. – Dabei gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen sagt man, man akzeptiert eben, dass es unterschiedliche Herkünfte, unterschiedliche Problemlagen gibt, und sagt, das sei dann sozusagen ein persönliches Lebensrisiko, oder man versucht als Gesellschaft oder als Staat, dort zumindest ein Stück weit ausgleichend einzuwirken und Chancengleichheit in dieser Gesellschaft zu schaffen.
Genau das tut Schulsozialarbeit. Jetzt die Schulsozialarbeit in Verbindung zu bringen mit angeblich ungezogenen Kindern, mit Jugendlichen, die sich auf Straßen festkleben, das ist wirklich ein absoluter Hohn für all diejenigen, die sich tagtäglich für gleiche Lebenschancen in diesem Land ein-setzen, und es ist ein Schlag ins Gesicht für alle Schulsozialarbeiter.
Es zeigt vor allen Dingen, dass vor Ihnen kein Thema sicher ist, dazu genutzt zu werden, Ihre vollkommen blöd-sinnigen, hetzerischen und vor allen Dingen auf Spaltung ausgelegten Thesen zu formulieren, und dass es kein Thema gibt, bei dem Sie bereit wären, sich damit wirklich etwas tiefer als nur an der Oberfläche zu beschäftigen. Dass jedes Thema nichts anderes ist als irgendwie Treibstoff für Ihre Propaganda, das ist wirklich schade, weil speziell dieses Thema Besseres verdient hat. Es ist in den letzten Jahren zu einem Instrument geworden, das uns allen hilft, unseren sozial- und jugendpolitischen Anspruch zu unter-streichen.
Ich kann Sie bzw. Ihre Vertreter nur dazu einladen – Sie haben bislang noch nie Gebrauch davon gemacht –, einmal in den Landesjugendhilfeausschuss zu kommen. Ich weiß, dass das kein besonders spannendes Gremium ist; denn da kann man nicht hetzen, darin sitzen relativ wenige Ihrer Wähler. Da muss man sich einmal in der Tiefe mit Themen befassen, und das tun Sie sehr, sehr ungern. Aber man kann einfach einmal zuhören, und im allerschlimmsten Fall lernt man sogar etwas, und dazu möchte ich Sie ganz herzlich einladen.
Herzlichen Dank.
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Lars Kuppi, AfD:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
„Schule ist mehr als Unterricht. Sechs Jahre Landesprogramm Schulsozial-arbeit: ein Erfolgsmodell für Sachsen“ – bei diesem Debattentitel habe ich die ganze Zeit überlegt, was ich dazu sagen soll.
Wie soll ich es am einfachsten rüberbringen? Ich persönlich habe seit 2009 keine Erfolgsstory der Regierungsparteien von Sachsen mehr gesehen oder wahrgenommen.
Aber zum Thema: Wenn es Berichte über psychische Auffälligkeiten bei Schülern, zum Beispiel wegen der Corona-Zeit, gibt – so wie sich Frau Pfeil äußerte –, sollte man dann nicht eher über die aktuelle Politik in unserem Land nach-denken und diese ändern? Das heißt, man sollte nicht mehr Personen einstellen, welche die Probleme lösen sollen, die durch diese aktuelle Politik erst eingetreten sind?
Herr Dierks, wir stehen ja bereit, diese Sozialarbeit zu unterstützen und darüber zu diskutieren. Dazu reicht aber diese Aktuelle Debatte nicht aus, weil es viele Probleme gibt, die die Schulsozialarbeit mit sich bringt. Ich frage mich, warum viele Sozialarbeiter laut einer Studie von 2016 auch am Drogenkonsum beteiligt sind. In dieser Studie wurde festgestellt, dass bei den Schulsozialarbeitern 10 % der Studierenden Cannabis, 10 % Amphetamine und weitere 10 % Beruhigungs- und Schlafmittel eingenommen haben. Das sind 30 % in diesem einen Jahr, die mit Drogen zu tun haben.
Wir hatten einen Antrag gestellt, dass Schulsozialarbeit auch darauf ausgerichtet sein muss, dass nur Personen daran teilnehmen dürfen, welche nicht vorbestraft sind. Diesen Antrag haben Sie alle abgelehnt. Sie wollen auch Vorbestraften in bestimmten Bereichen den Zugang zu unseren Kindern gewähren, egal, ob sie Drogenkonsum hatten, ob sie Sachbeschädigungen begangen haben. Sachbeschädigung betrifft zum Beispiel auch Graffiti, und so etwas wollen Sie auf unsere Kinder loslassen.
Wir stehen gern bereit und würden gern mit Ihnen über die Schulsozialarbeit diskutieren. Dazu reicht leider diese De-batte nicht aus. Aber kommen Sie auf uns zu, und wir sprechen mit Ihnen.
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Kathleen Kuhfuß, BÜNDNISGRÜNE:
Ich habe nur eine kurze Klarstellung. Wir haben in Deutschland einen gesetzlichen Rahmen dafür, dass alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, ein Führungszeugnis abgeben müssen. Mit diesem Führungszeugnis ist sichergestellt, dass die Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, keinerlei Straftaten in ihrem Leben begangen haben, die dort niedergeschrieben sind und mit denen sie Kindern und Jugendlichen schaden würden. Daher ist das, was Herr Kuppi hier präsentiert hat, quasi eine Falschdarstellung.
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Lars Kuppi, AfD: Ja, laut diesem gesetzlichen Rahmen sind Straftaten, wenn sie im Führungszeugnis eingetragen sind, ein Hinderungsgrund, daran teilzunehmen. Aber es stehen keine Straftaten wie Sachbeschädigung oder Drogenkonsum darin. Das ist genau das Problem. Wenn Leute wegen Graffiti bestraft werden, dann betrifft das eine Sach-beschädigung. Wenn ich als Schulsozialarbeiter den Leuten in der Schule Graffiti beibringe und ihnen erkläre, das sei gut, dann können wir damit rechnen, dass weitere Haus-wände angesprüht werden.
Wenn Personen, die Drogen nehmen, deswegen bestraft werden, ist auch davon auszugehen, dass sie Drogenkonsum nicht verurteilen werden und dies den Kindern nicht ordentlich beibringen werden. Das ist auch ein Punkt, wes-wegen hier diese Debatte von der SPD aufgeworfen wurde. Denn eigentlich ist diese Partei ja jetzt dafür, Drogen zu legalisieren. Wir als AfD sprechen uns jedoch gegen Drogen aus.
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Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Ich möchte es ganz kurz machen: Ich würde unsere Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter gern dazu aufrufen, einen Graffitiworkshop nach dem anderen anzubieten – und zwar an den Schulen, weil es nämlich nicht nur legal ist, sondern weil es wichtig ist, dass man sich mit solchen Dingen auseinandersetzt. Was Sie hier von der AfD erzählt haben, ist wirklich so weit weg von der Realität und von dem, was junge Leute brauchen und wollen. Es ist genau das, was wir hier seit Jahren von Ihnen erleben: Das, was Sie jetzt ge-rade über Schulsozialarbeit erzählt haben, ist dieses Men-schenbild, das bei Ihnen dahintersteckt. Sie wollen diese Leute nicht, Sie wollen nicht, dass sie an unseren Schulen unterwegs sind, und Sie wollen nicht, dass Schulsozialarbeit einen ganz bestimmten Einfluss nimmt. Wir haben vorhin darüber gesprochen, warum dieser Einfluss richtig und wichtig ist.
Was ich nur noch anmerken und konstruktiv vortragen wollte – vorhin hat meine Redezeit leider nicht ausgereicht –: Wir haben tatsächlich nur noch fünf Landkreise, in denen die Schulen auch Schulsozialarbeit anbieten. Die Anzahl ist einfach gesunken. Ich wünsche mir, dass wir im Zuge der Haushaltsverhandlungen noch einmal genau hin-schauen, uns mit diesen Landkreisen auseinandersetzen und auch die kommunale Ebene dazu befragen, woran es dort hapert. Es sind nämlich ganz unterschiedliche Gründe; es sind beispielsweise in Zwickau andere Gründe als im Landkreis Leipzig usw. Hier müssen wir nochmals mitei-nander reden und klären, woran das liegt. Denn ohne die kommunale Ebene einzubinden, wird es mit der Schulsozi-alarbeit nicht besser und nicht erfolgreicher werden. Das wollte ich darstellen, dass wir hier noch einmal detaillierter miteinander ins Gespräch kommen müssen.
Danke.
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Christin Melcher, BÜNDNISGRÜNE:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst möchte ich allen danken, die sich hier heute konstruktiv an dieser Debatte beteiligt haben. Ich glaube, es ist in dieser Debatte klar geworden, dass Schule eben nicht nur ein Lernort, sondern auch ein Lebensort ist. Die Debatte hat auch deutlich gemacht, dass wir Schülerinnen und Schüler nicht nur als Lernende, sondern auch als soziale Personen und als Persönlichkeiten wahrnehmen müssen. Es ist ein Irrglaube, davon auszugehen, dass man dafür aus-schließlich Lehrkräfte benötigt. Denn erst kürzlich hat die Arbeitszeitstudie der GEW gezeigt, dass der Arbeitsalltag von Lehrkräften nur noch zu einem Drittel durch Unterricht bestimmt wird. Sogenannte außerunterrichtliche Aufgaben und zusätzliche Tätigkeiten nehmen deutlich zu, und das führt natürlich zu Mehrarbeit. Die individuelle Förderung der Kinder sowie die Entlastung der Lehrkräfte sind daher nach meiner Ansicht zwei entscheidende Argumente für multiprofessionelle Teams an Schulen. Wir brauchen eben verschiedene Professionen und verschiedene Perspektiven auf junge Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Neben Schul- und Inklusionsassistenz ist Schulsozialarbeit ein unverzichtbarer Bestandteil dieses Unterstützungssystems. Hinzu kommen noch Praxisberater sowie Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleiter. All diese Menschen unterstützen Kinder und Jugendliche und entlasten damit gleichzeitig auch die Lehrkräfte. So wichtig vielfältige Perspektiven auf das einzelne Kind sind, so wichtig ist es auch, die verschiedenen Professionen an Schulen gut zu koordinieren. Nur durch Zusammenarbeit auf Augenhöhe entstehen Synergieeffekte – und nur so wird Schule tatsächlich auch zu einem Lebensort. Daher lautet unser Ziel: Team-play in multiprofessionellen Teams zum Wohle des Kindes, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben jetzt schon viel gehört über die Verankerung der Schulsozialarbeit in Sachsen. Aber wir sind nicht nur in Sachsen tätig, sondern auch im Bund. Es deutet sich an, dass das Startchancen-Programm des Bundes einen Ausbau der Schulsozialarbeit zum Ziel hat. Mit diesem Programm sollen die individuellen Bildungschancen verbessert und Bildungsgerechtigkeit gestärkt werden. Bei der Verteilung der Mittel dieses Programms ist noch einiges in Diskussion, und es werden auch Alternativen zum sogenannten Königsteiner Schlüssel diskutiert – so auch ein geeigneter Sozialindex. Sachsen hat sich hier mit einem Antrag der Koalitionsfraktionen auf den Weg gemacht, einen solchen Sozialindex zu erarbeiten. Das ist auch gut so, und das wollen wir auch gern weiter voranbringen.
Denn erst kürzlich hat der IQB-Bildungstrend deutlich belegt: Immer mehr Schülerinnen und Schüler der Grundschulen haben signifikante Defizite in den Basiskompetenzen. Die Corona-Pandemie hat hier noch einmal wie ein Katalysator gewirkt. Die Corona-Pandemie hat insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Familien oder mit Migrationshintergrund besonders hart getroffen. Aus meiner Sicht ist das ein wichtiger Fingerzeig. Wir müssen mit dem Unterstützungssystem dort ansetzen, wo die Hilfe am dringendsten benötigt wird. Wir müssen auch so frühzeitig wie möglich ansetzen – mit Schulsozialarbeit in Grund- und Förderschulen sowie mit Kitasozialarbeit für alle Kin-der, die nicht die besten Startchancen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt: Alles, was wir hier gezielt und frühzeitig investieren, zahlt sich später auch aus. Es zahlt sich aus in einer erfolgreichen Bildungsbiografie, aber es zahlt sich auch im Staatshaushalt aus. Ersteres ist für uns unverzichtbar, das Zweite zumindest aber auch erfreulich. Insofern möchte ich noch einmal abschließend betonen: Schulsozialarbeit ist ein Erfolgsmodell. Lassen Sie uns Schulsozialarbeit gemeinsam festigen und weiter ausbauen!
Vielen Dank.
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Petra Köpping, Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten!
Ich bedanke mich auch nochmals für die Debatte, die wir heute zum Thema Schulsozialarbeit angestoßen haben. Kinder und Jugendliche lassen ihre Nöte und Zukunftsfragen eben nicht an der Schultür zurück. Dabei ist es egal, ob es Probleme in der Schule, zu Hause oder eben mit Freunden gibt. Schule ist viel mehr als Unterricht. Das haben wir in Sachsen erkannt, und deswegen haben wir hier auf das Thema Schulsozialarbeit gesetzt.
Ich möchte gleich vorwegnehmen, dass ich mich ganz ausdrücklich herzlich bei allen Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern bedanke.
Selbstverständlich ist es so, dass das Programm Schritt für Schritt aufgebaut worden ist. Selbstverständlich haben wir immer die Punkte, die in der Vergangenheit kritisiert worden sind, verändert.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass nicht erst 2017 mit dem Landesprogramm Schulsozialarbeit gestartet wurde, sondern dass ich bereits als Landrätin im Zeitraum 2001 bis 2008 Schulsozialarbeit im Landkreis Leipziger Land eingeführt habe. Was waren die Gründe dafür? Es gab damals 30 % Arbeitslosigkeit, und die Menschen haben häufig ihre Probleme an ihre Kinder weitergegeben; Schulsozialarbeit war besonders dringend notwendig geworden. Schon damals hat der Landkreis gesagt: Das kann man eine Zeit lang machen, Schulsozialarbeit selbst zu finanzieren – wichtig wäre, dass das Land einsteigt. Und das Land hat dies getan: Mit dem Jahr 2017 haben wir das Landesprogramm Schulsozialarbeit gestartet.
Noch zu zwei Punkten, die angesprochen wurden und die mir wichtig sind: Es ist vorhin gesagt worden, dass in den Schulen ein Schlüssel von 1 : 650 vorhanden sei. Wir haben eine sehr differenzierte Landschaft. Wir wissen, dass in den Oberschulen der Schlüssel 1 : 350 beträgt. Das heißt, wir haben den Schwerpunkt zunächst auf die Ober-schulen gesetzt. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir das für die anderen Schultypen ergänzen sollten – also auch für die Grundschulen, für die Förderschulen und die Gymnasien. An den Gymnasien haben wir momentan das schlechteste Verhältnis; da beträgt der Schlüssel nur 1 : 1 500. Es gab den Hinweis bzw. die Kritik, dass wir bei der Schulsozialarbeit noch einmal prüfen müssen, wie die unterschiedliche Schullandschaft gewertet wird. In diesem Zusammenhang bin ich der Meinung, dass die Schwerpunktsetzung an den Oberschulen richtig war, weil dort die Probleme auffällig häufig zutage getreten sind und wir des-wegen an dieser Stelle eine Prämisse gesetzt haben.
Schulsozialarbeit als Teil der Jugendhilfe – auch das hat Alexander Dierks angesprochen. Es gab natürlich am An-fang die Sorge, dass damit andere Jugendhilfeprojekte zu-rückgestellt worden sind. Genau das ist eben nicht erfolgt, sondern es ist ein ergänzendes Angebot. Ich selbst habe mir viele Schulsozialarbeitsprojekte in den Schulen angeschaut. Dabei geht es eben nicht nur um das Graffiti, das man auch legal machen kann, sondern da werden Schulclubs gegründet, da wird eine Speiseneinrichtung betreut usw. Das sind also vielfältige Probleme, wo Kinder und Jugendliche eben auch über das reden können, wo-rüber sie vielleicht mit einer Lehrerin oder einem Lehrer nicht sprechen.
Nun noch zu dem Problem, das angesprochen worden ist, die Schulsozialarbeit vielleicht in das Kultusministerium bzw. an die Landesbehörden zu übergeben: Da bin ich ein wenig skeptisch, weil Schulsozialarbeit eben eine andere Baustelle ist. Es ist hier tatsächlich so, dass es um Sozial-arbeit geht und nicht um den Ersatz von fehlenden Lehrern – praktisch gesprochen. Es wäre mir wichtig, dass das als ergänzendes Angebot bestehen bleibt.
An dieser Stelle möchte ich auf die Schulsozialarbeit in Corona-Zeiten eingehen. Auch da haben wir gesehen, dass der Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern durch die Digitalisierung ein Stück weit verloren gegangen ist. Und auch da haben sich unsere Schulsozialarbeiter wirklich intensiv genau um die Kinder und Jugendlichen gekümmert, deren Eltern nicht Einfluss nehmen konnten bzw. die nicht die technischen Voraussetzungen zu Hause hatten. Auch dafür bin ich den Schulsozialarbeitern sehr, sehr dankbar.
Wir müssen noch etwas verbessern in dem Sinne, dass Eltern und Lehrkräfte ganz eng mit den Schulsozialarbeitern zusammenarbeiten, besonders dass diese Stufigkeit verbessert wird. Wir müssen noch mehr darauf hinarbeiten, dass es eben auch Ziel unserer Schulsozialarbeit ist, dass die Kinder je nach Herkunft gleiche Chancen in allen Bereichen der Schule haben.
Aufgaben des Landesprogrammes sind natürlich auch Herausforderungen. Das heißt, dass wir sie kontinuierlich sichern müssen. Ich weiß, dass zu meiner Zeit als Landrätin die Schulsozialarbeit immer nur für ein Jahr befristet genehmigt worden ist; es gab viele Teilzeitarbeitsstellen, weil wir erst einmal begonnen hatten. Das ändert sich gerade. Wir wollen das mittel- und langfristig machen, damit dar-aus eine berufliche Perspektive wird. Auch dafür bin ich dem Landtag wirklich sehr dankbar.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Landtag für die Schwerpunktsetzung bei der Schulsozialarbeit in den Haushaltberatungen. Ich hoffe, dass die Haushaltsberatungen, die am Ende in einen Beschluss münden, zum Erfolg der Schulsozialarbeit beitragen.
Herzlichen Dank.