„Der Inklusionsgedanke ist in der Schule dabei weit gefasst und gleichzeitig bestechend schlicht: gute Schule für jedes Kind!“ #
In der Grundschule Op de Host lernen rund 200 Kinder in jahrgangsübergreifenden Klassen und in ihrem eigenen Tempo. Die Schüler:innen legen selbst fest, wann die Lernzielkontrollen stattfinden – Noten gibt es dabei nicht. Die kleine Grundschule zeigt Wege für zwei der größten Probleme in der deutschen Schullandschaft auf: eigenverantwortliches, differenziertes und gemeinsames Lernen als Antwort auf die Herausforderungen der Heterogenität sowie die konsequente kollegiale Kooperation und Kollaboration, die (Arbeits-)Entlastung schafft und die Zufriedenheit der Lehrkräfte steigert. Innovativ ist die Grundschule Op de Host in der Konsequenz, mit der das jahrgangsübergreifende Lernen, das damit verbundene kooperative Lernen der Schüler:innen und die Kollaboration der Lehrkräfte in der Unterrichtsvorbereitung gedacht werden.
Lernlandkarte_Grundschule_op_de_Host_Horst
Morgenkreis mit festen Ritualen #
Nachdem die 20 Minuten vergangen sind, schlägt der siebenjährige Lion, der heute „Leisechef“ ist, an eine kleine Klangschale. Die Kinder kommen zum Morgenkreis zusammen, geleitet von Jana, die heute „Kreischefin“ sein darf. Der Ablauf folgt einem festen Ritual. Wochentag, Monat und Uhrzeit werden bestimmt. Ein Plüsch-Nilpferd wandert von einem Kind zum nächsten. Wer es in der Hand hält, erzählt, was er oder sie am Nachmittag zuvor oder an diesem Morgen erlebt hat. Die einen waren im Freibad, der andere hat am Morgen den Schlüssel vergessen, und Lehrerin Inke Ratjen erzählt von einer Familienfeier. Dann wird besprochen, was an diesem Tag bevorsteht. Die „Sonnenkinder“ bekommen ein grünes Arbeitsblatt mit dem „Zahlenführerschein“, die „Paten“-Kinder helfen ihnen beim richtigen Abheften.
Nach dem Morgenkreis beginnt die Arbeitszeit. In der Doppelstunde von 90 Minuten können die Kinder selbst wählen, ob sie an ihrem Mathe-Plan oder dem Deutsch-Plan oder an beiden weiterarbeiten. Jedes Kind weiß, was es zu tun hat, und wer doch noch unsicher ist, kann die Patin oder den Paten fragen. Jedes Kind lernt an der Grundschule Op de Host im eigenen Tempo. Kinder mit besonderen Förderbedarfen genauso wie Hochbegabte. „Du bist gut, so wie du bist!“ lautet das Leitbild für das Miteinander. Die differenzierten Materialien sind in allen Klassen gleich und wurden von den 16 Lehrerinnen und Lehrern der Schule in Teamarbeit entwickelt.
Planarbeit in Mathe und Deutsch #
Dass das Modell funktioniert, liegt auch daran, dass in jeder Klasse der Unterricht nach demselben Muster erfolgt. Nicht nur die Rituale stimmen überein, jeder Raum ist auch genau gleich eingerichtet, die Materialien sind überall identisch und am selben Ort zu finden. Wechselt ein Kind von der einen Lerngruppe zur anderen, kann es sich problemlos orientieren und an seinem Plan weiterarbeiten. Und auch für die Lehrerin ist das kein Problem. „Ich kann sofort sehen, wo das Kind steht, und die Aufgaben entsprechend anpassen“, sagt Inke Ratjen. Einen Mehraufwand sieht sie in der Differenzierung nicht, die Materialien sind ja alle vorhanden.
Die größte Herausforderung für sie als Lehrerin in diesem Modell sei es, alle Kinder im Blick zu behalten, sagt Ratjen. „Wenn ein Kind in die Luft schaut, kann das entweder bedeuten, dass es einfach mal eine Pause braucht, dass es Zeit zum Nachdenken braucht, oder auch, dass es nicht weiterkommt und einen Anstoß braucht.“ Das gelte es herauszufinden. Sie habe sich aber bewusst für diese Schule entschieden, weil sie genau diese andere Lehrerrolle als Lernbegleiterin wollte.
Eltern arbeiten ehrenamtlich mit #
An diesem Tag hat Melanie Giese Bibliotheksdienst und hält Ordnung in den Büchern, Lernspielen und Montessori-Materialien. Sie ist Mutter von vier Kindern und teilt sich den Dienst mit anderen ehrenamtlichen Eltern und Großeltern. „Mein erstes Kind hatte ich in einer ganz normalen Grundschule eingeschult, und es fühlte sich dort sehr unwohl. Der Einheitsbrei war ihm langweilig – schon wenige Wochen nach der Einschulung wollte er nicht mehr zur Schule gehen“, erzählt die Mutter. Auf der Suche nach Alternativen stieß sie auf die Grundschule Op de Host. Inzwischen ist sie so überzeugt von dem Konzept, dass alle ihre vier Kinder hier lernen sollen, obwohl sie 20 Autominuten von Horst entfernt wohnt.
Mitbestimmungsrunde in der Pause #
„Mitbestimmungsrunde“, die jeden Dienstag in der Mittagspause im Musikzimmer stattfindet. Jedes Kind, das eine Idee hat, kann da Vorschläge machen. Die werden dann in der ganzen Schule abgestimmt. Im vergangenen Jahr zum Beispiel haben sich einige Kinder gewünscht, den Bolzplatz auf dem Schulhof auch zum Handballspielen nutzen zu können.
Eine Zeit der Stille zum Ausklang #
Dann schließen alle die Augen. Es ist „Stille Zeit“. Die Kinder schweigen und lassen den Tag Revue passieren. Hatten sie Streit, haben sie vielleicht etwas Gemeines zu jemandem gesagt, haben sie einem Freund oder einer Freundin nicht zugehört?
Quelle:
https://deutsches-schulportal.de/unterricht/deutscher-schulpreis-2023-grundschule-op-de-host/